Wer nichts weiß, muss alles glauben (German Edition)
Lichtfasten oder Breatharianism war in den achtziger und neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine Zeitlang in Mode, ist dann fast verschwunden, aber im April 2010 hat ein indischer Yogi wieder einmal behauptet, er könne ohne Nahrung überleben. Nicht eine Woche, nicht ein Jahr, sondern gleich 70 Jahre, damit sich die Zeit, die man sich durchs Nicht-Geschirr-abwaschen-Müssen erspart, auch auszahlt. Zum Beweis hat er sich 14 Tage in einer indischen Klinik in „Rund-um-die-Uhr-Überwachung“ begeben. Einmal mit alles, bitte, in seinem Fall also ohne Essen, ohne Trinken, ohne Klogehen. Angeblich waren 30 Ärzte ratlos, wie er das überleben konnte, was nicht sehr für die Ärztekammer Indiens spricht. Man kann nämlich getrost davon ausgehen, dass es sich um einen Schwindel handelt, eine abgeschmackte Freak Show, vermutlich veranstaltet von einem der Ärzte. [41]
Pro Tag verliert der Körper ungefähr 400 Milliliter durch Ausatmen von Wasserdampf. Multipliziert man 400 mit 14, so ergibt das 5600 Milliliter, also fünfeinhalb Kilo. Die hätte der Yogi nach den 14 Tagen leichter sein müssen. Wenn er das schon 70 Jahre durchgehalten hätte, wäre gar nichts mehr von ihm da, was 30 ratlose Ärzte bestaunen hätten können.
Lichtfasten klingt albern, kann aber sehr schnell lebensgefährlich werden. Lichtfastenden Menschen winkt nicht nur eine radikale Abmagerungskur, sondern angeblich auch eine höhere Bewusstseinsstufe und die Chance auf Unsterblichkeit. Allerdings eine sehr kleine Chance. Lichtenergie liefert selbstverständlich keine Aufbaustoffe, natürliche Mineralien und Vitamine. Eine Trinkmenge von wenigstens einem Liter pro Tag ist das Minimum, um Giftstoffe aus dem Körper zu schwemmen. Bereits nach drei Tagen des Nichttrinkens droht Nierenversagen. Das Immunsystem wird geschwächt, die Gefahr einer Infektion ist besonders groß. Außerdem sinkt der Blutzuckerspiegel, der Lichtesser kann ins Koma fallen. Wird das Hirn unterversorgt, drohen Angstzustände, Verwirrung oder Halluzinationen. Mehrere Menschen sind weltweit schon an den Folgen des Lichtfastens gestorben.
Warum machen Menschen so was überhaupt? Den Ansichten gewisser Esoterikerkreise zufolge kann ein Mensch auf Dauer dank einer geheimnisvollen Prana-Energie oder einer Lichtenergie überleben. Wie macht er das? Gar nicht. Wer das behauptet, schwindelt. Und das ist vermutlich noch sein geringstes Problem. Schon das grundlegende Gesetz der Erhaltung von Masse und Energie zeigt die Unmöglichkeit der Erzeugung einer nennenswerten Masse durch Energie. Um den Bedarf an Kohlenstoffatomen eines Menschen für nur einen einzigen Tag aus Sonnenlicht abzudecken, müsste man sich eine Milliarde Jahre in die Sonne legen! Das heißt aber auch, wenn Sie in der Nacht zum Kühlschrank gehen, dann ist auf jeden Fall nicht das Licht im Kühlschrank schuld, wenn Sie zunehmen.
Vielleicht ist der Mond schuld. Könnte ja sein. Der Mond kann selber abnehmen, vielleicht kann er auch andere dazu inspirieren. Er kann immerhin Gezeiten machen, das ist ja nicht nichts. Der Mensch besteht zu zwei Dritteln aus Wasser, alle chemischen Reaktionen in Lebewesen laufen im wässrigen Milieu ab, das steht sogar in diesem Buch (Seite 157), also wird der Mond natürlich Einfluss auf den Menschen haben. Das weiß man ja, dass es zu Vollmond mehr Babys gibt und so. Wer das nicht weiß, ist bitte voll das Opfa.
Okay. Machen wir einen Test.
Wer glaubt, dass der Mond nennenswerten Einfluss auf den menschlichen Körper hat, der hebt bitte jetzt die Hand.
Aha.
Und wer glaubt, der Mond hat praktisch keinen Einfluss, bitte jetzt die Hand in die Höhe.
Auch einige.
Und wem das original wurscht ist, weil er wirklich andere Sorgen hat, dann bitte jetzt die Hand heben. Hab ich mir gedacht.
Die Lösung ist einfach und naheliegend, aber davor blättern Sie bitte um, damit Sie wieder einmal ein wenig Bewegung machen und nicht so zunehmen wie der Mond!
Kleiner Scherz.
Pardon.
Tatsächlich besteht der wichtigste Einfluss des Mondes in seiner Anziehungskraft auf die Erde. In Zusammenarbeit mit der Sonne entstehen die Gezeiten, das periodische Auf-und Ablaufen des Wassers an den Meeresküsten. Der Wasserstand kann regelmäßig bis zu einem Meter schwanken, wobei man mit Flut das Ansteigen des Wassers vom Niedrig-bis zum Hochwasser, mit Ebbe das Fallen des Wassers bezeichnet.
Das ist für einen Mond ganz okay. Und das war’s dann aber auch schon. Alles, was der Mond sonst
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