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Wer nie die Wahrheit sagt

Wer nie die Wahrheit sagt

Titel: Wer nie die Wahrheit sagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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sie drauf und dran war, einen zweiten Selbstmordversuch zu unternehmen.«
    »Ich weiß nicht«, murmelte er. Stirnrunzelnd knipste er die Nachttischlampe aus. Dann zog er Sherlock wieder fest an sich. »Das macht mich ganz fertig, Sherlock, diese Sache mit Lily. Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
    Sie hielt ihn so fest wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Und sie musste daran denken, wie zerbrechlich Lily vor sieben Monaten gewirkt hatte, förmlich gebrochen. Und dann hatte sie diese Tabletten genommen und wäre fast gestorben. Savich und seine Mutter waren ein zweites Mal nach Kalifornien geflogen, nur gut eine Woche nach Beths Beerdigung, hatten Lily in dem schmalen Krankenbett liegen sehen, mit einem Infusionsschlauch in der Nase, einer Infusionsnadel im Arm. Aber Lily hatte überlebt. Und es hatte ihr so schrecklich Leid getan, dass sie allen eine solche Angst eingejagt hatte. Anschließend war sie mit ihnen nach Washington gekommen, um sich auszuruhen und wieder zu sich zu kommen. Nach drei Wochen hatte sie allerdings beschlossen, wieder nach Hemlock Bay zu ihrem Mann zurückzukehren.
    Und sieben Monate später raste sie mit ihrem Auto gegen einen Redwood.
    Sie drückte sich noch enger an Dillon. »Ich weiß nicht, was ich machen würde, wenn Sean etwas zustieße. Das könnte ich nicht ertragen, Dillon. Kein Wunder, dass Lily es auch nicht konnte.«
    Nach geraumer Zeit meinte er: »Nein, ich könnt’s auch nicht ertragen, aber weißt du was? Du und ich, wir würden das zusammen durchstehen. Irgendwie. Ich glaube, du liegst richtig mit deinem Instinkt. Du sagtest, irgendwas kommt dir komisch vor. Was genau meinst du damit?«
    Sie rieb ihre Nase an seiner Schulter und summte ein bisschen, ein sicheres Zeichen dafür, dass sie konzentriert nachdachte. Dann sagte sie: »Na ja, erst letzte Woche hat Lily uns einen Cartoon vom Aalglatten Remus geschickt, den sie gerade gezeichnet hatte, ihr erster seit Beths Tod. Außerdem klang sie ziemlich aufgeregt. Also, was ist in den letzten vier Tagen passiert, dass sie plötzlich versucht, sich ein zweites Mal umzubringen?«

4
HEMLOCK BAY, KALIFORNIEN
    »Ich hab das Röhrchen mit den Tabletten geklaut«, verkündete Savich am nächsten Morgen beim Betreten der Küche.
    Sherlock hielt grinsend den Daumen hoch und sagte: »Und wie lassen wir sie untersuchen?«
    »Ich habe Clark Hoyt vom FBI-Regionalbüro in Eureka angerufen. Ich werde ihm die Tabletten noch heute schicken. Er wird sich morgen bei uns melden. Dann werden wir’s wissen, so oder so.«
    »Ach, Dillon, ich muss dir was gestehen.« Sie nahm einen Schluck Tee und blickte grinsend die wenigen Teeblätter an, die am Tassenboden schwammen. »Diese Tabletten, die du geklaut hast, die sind falsch. Weißt du, ich hab sie schon vor dir geklaut und sie gegen Sudafed aus dem Medizinschränkchen eingetauscht.«
    Also manchmal haute sie ihn einfach um. Er toastete ihr mit seinem Tee zu. »Bin beeindruckt, Sherlock. Wann hast du sie vertauscht?«
    »So um fünf Uhr morgens, als alle noch schliefen. Ach ja, die Haushälterin, Mrs. Scruggins, müsste bald da sein. Mal sehen, was sie uns so zu berichten hat.«
    Mrs. Scruggins reagierte auf Sherlocks Fragen vor allem mit tiefen Seufzern. Sie war eine große Frau, fast so groß wie Savich, und sie wirkte stark, sehr stark, selbst ihre langen Finger, an denen, sogar am Daumen, dicke blitzende Ringe steckten. Das Weib hatte Muskeln. Sherlock wollte Mrs. Scruggins nur ungern in die Quere kommen. Sie musste mindestens sechzig sein, und sie sah aus, als würde sie mit ganzen Einbrecherbanden fertig werden. Erstaunlich. Auf den Fenstersimsen in der Küche standen Fotos von ihren Enkelkindern.
    Savich lehnte sich zurück und überließ das Gespräch seiner ebenso einfühlsamen wie gerissenen Frau. »Wirklich schlimme Sache«, klagte Sherlock kopfschüttelnd. »Wir begreifen’s einfach nicht. Aber Sie, Mrs. Scruggins, Sie sind doch praktisch den ganzen Tag mit der armen Lily zusammen. Bestimmt können Sie sich ein besseres Bild von der Lage machen.«
    Und Mrs. Scruggins, die ihre schlanken, beringten Finger anmutig um ihre Kaffeetasse bog, sagte: »Also, ich dachte immer, es geht ihr wieder besser, wissen Sie?«
    Savich und Sherlock nickten unisono.
    »Und dann fiel sie wieder in ein Loch und lag den ganzen Tag zusammengerollt im Bett. Sie wollte nichts essen, bloß daliegen. Hat nicht mal geblinzelt. Ich glaube, sie hat an die kleine Beth gedacht, wissen Sie?«
    »Ja, ich weiß«,

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