Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)
den Fliesen. Eichwald schrie unverständliches Zeug. Dazwischen klang das Wimmern der Lehrerin. Emma tastete nach den Schindeln des Vordaches und zog eine heraus. Sie lag schwer in ihrer Hand. Emma versuchte, sich halbwegs stabil zu stellen und warf die Schindel mit Schwung in den Hof. Sie zerschellte mit einem lauten Knall auf den Steinen.
In der Kirche war es schlagartig still. Emma drückte sich eng an die nassen Schindeln. Und jetzt drang Blumes Stimme durch die Dunkelheit: »Geben Sie auf, Eichwald. Lassen Sie die Frau gehen. Sie haben keine Chance.«
Emma hielt die Luft an. Drinnen schnelle Schritte, dann schrie die Lehrerin auf, sie schien sich zu wehren, schrie immer wieder: »Nein, nein!« Eichwald rief: »Ich bring sie um, wenn ihr reinkommt!«
Eichwalds Stimme kippte, es klang panisch, als habe er komplett die Kontrolle verloren.
»Ich komme mit ihr raus und gehe zum Auto. Wehe, jemand hindert mich!«
Emma kletterte vorsichtig über das rutschige Dach. Die Seitenteile reichten bis an die Eckpfeiler der Kirche. Wenn sie sich streckte, konnte sie auf das Rasenstück vor dem Seiteneingang sehen. Mit dem rechten Fuß suchte sie Halt in der Regenrinne, die voller Wasser und altem Laub war.
Blume stand auf dem Rasen, vom Mondlicht beschienen schemenhaft zu erkennen. Er hatte die Hand mit der Pistole gesenkt und starrte auf den Seiteneingang. Emma streckte sich, konnte aber die Tür von ihrer Position aus nicht sehen. Ihre Finger tasteten über die nassen Schindeln, um noch ein paar Zentimeter vorrücken zu können.
Jetzt glaubte Emma, die Scharniere der alten Tür zu hören. Blume änderte seine Haltung, behielt aber die Waffe unten. Eichwald schob sich in ihr Blickfeld. Er hielt Gesine Lorenz mit der Linken an sich gepresst und ging langsam vorwärts. Sie blutete – wie stark, konnte Emma aus der Ent fernung nicht erkennen. In der Rechten trug Eichwald ei nen kleinen Aktenkoffer. Von der anderen Seite tauchte jetzt Achim auf – ein dunkler Koloss. Er rief:
»Christian, was wird das hier – hast du den Verstand verloren?«
Eichwald schien einen Moment verwirrt, aber dann drängte er die Lehrerin weiter vorwärts. Er schrie: »Hau ab, Achim! Hier ist überall Polizei!«
»Das stimmt nicht, Christian.« Achim kam näher, seine Stimme wurde leiser. »Er hat geblufft. Es ist niemand hier, nur wir vier.«
Eichwald blieb stehen. Unsicher sah er von Achim zu Blume.
Der legte die Waffe vor sich ins Gras, kickte sie leicht in Eichwalds Richtung und sagte:
»Er hat Recht, Eichwald. Wir sind allein. Das wird sich aber in fünf Minuten ändern. Also sollten Sie sehr gut überlegen, was Sie jetzt tun.«
Die Lehrerin löste sich ein wenig von ihm. Sofort riss Eichwald sie wieder näher an sich, und sie schrie vor Schmerzen auf. Jetzt konnte Emma sehen, dass er in der Linken eine Waffe hielt. Achim kam noch näher und stand jetzt fast direkt vor den beiden.
»Nimm mich, Christian, und lass sie gehen.«
Eichwald lachte, es klang verzweifelt. »Für dich gibt keiner einen Cent, Fleischklops. Kapier das endlich!«
»Eichwald«, Blumes Stimme klang beschwörend, »lassen Sie doch den Scheiß. Da kommen Sie doch nie mehr raus! Wir vergessen das jetzt hier, und Sie geben mir den Koffer. In ein paar Minuten ist hier alles voller SEK !«
Eichwald sah in Blumes Richtung. Emma war zu weit weg, um seinen Gesichtsausdruck erkennen zu können. Achim sagte:
»Menschenskind, Christian – denk doch an die Liga!«
»Immer die Liga!« Eichwald schrie zuerst, am Ende war es nur noch ein Flüstern. »Immer die Liga. Der Einzelne zählt nicht, du bist nur in der Gruppe stark, ein ganzes Leben hör ich mir diesen Scheiß schon an. Aber mir hat keiner geholfen, als ich im Bau war, ganz allein und immer das Licht an, immer wieder diese Verhöre, ich wusste doch gar nicht, was los war. Er hat mich verraten, Achim, er hat denen alles über mich erzählt, Lukas war doch mein Freund, mein Kamerad…«
Er weinte, und Achim ging zu ihm und legte einen Arm um seine Schulter. Blume nahm ihm sanft die Waffe aus der Hand. »Christian Eichwald, ich verhafte Sie wegen Mordes an Lukas Brinkmann.«
Eichwald sah hoch. »Gesine hat mich angerufen und mir alles erzählt. Ich wusste, dass Rocco ihn sich vornehmen wollte. Ich stand an der Straßenecke und wartete, dass Rocco rauskam. Dann ging ich hoch und und stellte ihn zur Rede. Er hat um Gnade gewinselt, aber in mir war alles tot. Er hatte mich verraten. Er hat mein Leben zerstört.« Dann
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