Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)
zwei Männer und eine Frau in den orange-weißen Jacken stiegen aus. Ein Blick auf Eichwald genügte – die Ärzte wandten sich den Lebenden zu. Gesine Lorenz wurde auf eine Bahre gelegt, die Männer angesprochen. Blume sah sich suchend um, und Emma kam wieder auf die Beine. Wei nend stolperte sie in seine Richtung. Als er sie sah, schob er die Leute um sich aus dem Weg und schloss sie in die Arme.
»Emma, Gott sei Dank!«
Sie lehnte sich an seine Schulter und schloss die Augen vor dem Anblick, der sich ihr bot. Blumes Schulter war klebrig, aber sie verdrängte den Gedanken daran. Als sie die Augen wieder öffnete, breiteten ein paar Männer bereits einen Plastiksack über der Leiche aus. Blume fasste sie an den Schultern und sah ihr ins Gesicht.
»Bist du okay?«
Sie nickte. »Ich bin gerade vom Dach runter, als ich den ersten Schuss hörte. Was ist passiert?«
Blume wischte sich durchs Gesicht. Er sah voll Ekel auf seine Jacke und zog sie aus, trotz der Kälte.
»Ich hatte mich zu der Lehrerin gedreht. Ich dachte, er fällt, aber er hat nach meiner Waffe gegriffen. Ich war nicht schnell genug, Emma, ich war nicht …«
Emma strich ihm über die nassen, verklebten Haare. Sie zog ihn an sich, wärmte ihn mit ihrem Körper. Ein Sanitäter kam und legte Blume eine Decke um. »Bitte kommen Sie mit.« Er wandte sich an Emma. »Sind Sie verletzt?« Emma schüttelte den Kopf, dann fühlte sie, wie ihr das Blut aus dem Kopf in den Boden rauschte und der Schweiß ausbrach. Sie murmelte: »Ich glaube, ich habe einen Schock.« Dann wurde ihr schwindelig, und sie konnte sich noch an der Jacke des Mannes festhalten. Langsam führte er sie die wenigen Schritte bis zu einer provisorisch aufgebauten Station. Auch Emma bekam eine Decke und sollte sich flach hinlegen, aber es hielt sie nicht lange dort. Sie setzte sich auf eine Klappbank und nahm dankbar den Tee entgegen, den ihr ein Sanitäter anbot. Um sie herum war ein geschäftiges Treiben, Beamte der Spurensicherung arbeiteten am Tatort, über Funkspruch wurde eine Razzia in den Büros der Rechten Liga organisiert. In einem Rettungswagen sah sie Achim. Auch er trank aus einem Becher, eine Ärztin maß seinen Blutdruck. Für einen Moment hob er den Kopf. Ihre Blicke trafen sich, dann wandte er sich der Ärztin zu, die ihn etwas fragte. Emma hielt Ausschau nach Blume. Er stand mit der Lehrerin und einem Trupp von Zivilpolizisten im Halbkreis um ein Auto. Emma rutsche etwas vor. Jetzt sah sie den Koffer auf dem Heck des Wagens. Blume machte ihn auf, ein Beamter richtete den Lichtstrahl einer starken Taschenlampe darauf. Selbst von ihrem Platz aus konnte Emma die kleinen weißen Tütchen erkennen. Blume schloss den Koffer wieder, reichte ihn an den Beamten mit der Taschenlampe und sagte etwas zu der Frau. Gemeinsam gingen sie zur Kirche und verschwanden durch den Seiteneingang. Emma stand auf, wickelte die grobe Wolldecke enger um sich und lief zum Eingang. Zögernd blieb sie an der Tür stehen. Sie hatten die Deckenbeleuchtung angemacht und gingen gerade die Stufen zum Orgelboden hoch. Gesine Lorenz sagte:
»Er hat mir von seinem Geheimnis, dem Versteck, er zählt. Nach dem Tod von Marlon war ihm das alles zu heiß geworden. Er wollte nur etwas abwarten, damit Gras über die Sache wachsen konnte. Aber Rocco hat das nicht verstanden.«
Blume meinte: »Er hatte seine Zulieferer im Nacken. Er konnte nicht warten, er brauchte das Geld.«
»Meinen Sie, das hätte Lukas interessiert? Dem ging es nur um seine eigene Haut.«
»Zeigen Sie mir das Versteck.« Die Lehrerin ging voran, Blume folgte ihr, und Emma schlich hinterher. Die Treppe knarrte auf dem letzten Absatz. Als sie den Orgelboden betrat, starrten ihr die beiden entgegen.
Emma schluckte und sah sich um. Der Orgelboden war voller Kisten und verpackter Statuen. Ein schmaler Weg war frei geblieben, um bis zur Orgel zu kommen. Lose Karteiblätter, Aktenordner und Liederbücher lagen auf dem Boden.
»Hier.«
Gesine Lorenz hatte sich hinter die schmale Sitzbank gehockt. Sie zeigte auf eine kleine Tür zu einem Verschlag, die offen stand. Vermutlich war sie einmal als Zugang zu den Orgelpfeifen angebracht worden, wenn einzelne Pfeifen repariert oder ausgetauscht werden mussten. Blume und auch Emma traten einen Schritt näher an das Versteck heran. Blume nahm eine kleine Taschenlampe von seinem Schlüsselbund und leuchtete in den Verschlag. Im Lichtstrahl wirbelten Staubkörner durch die Luft. Auf dem Boden war der
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