Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)
drehte er seinen Kopf zu Achim.
»Den Helm hatte ich ihm damals geschenkt. Ich war ja noch in der Lehre, weißt du, wie lange ich für das schwere Scheißding gespart hab?« Er lachte bitter unter seinen Tränen. »Ihm ging es immer noch nur um sich. Er jammerte und schrie rum, aber kein Wort über mich, dass es ihm leid tat, was er damals… da hab ich den Helm genommen und damit gegen seine Brust geschlagen. Es … es ging ganz leicht. Und dann war er auf einmal still. Er hielt den Helm an die Brust gedrückt und sah mich an, als dachte er, Alter, das hätte ich dir nicht zugetraut.«
Er senkte den Kopf, dann murmelte er noch leise: »Und dann ist er einfach umgefallen.«
Emma starrte wie gebannt auf die Szene. Achim löste sich von Eichwald und versuchte, einen Schritt zurückzutreten, aber der Bürgermeister klammerte sich an seinen Arm und schrie fast in sein Gesicht:
»Er hatte es verdient. Aber Marlon, Achim. Was wir Marlon angetan haben, das kann ich nie …«
Schnell sagte Achim: »Alles wird zur Sprache kommen, Christian. Später.«
Eichwald heulte auf und schlug mit der Faust auf Achim ein. »Du bist doch schuld! Du hast den Jungen gefunden! Du hättest – du hättest …« Gesine Lorenz gab einen Laut von sich und brach zusammen. Blume konnte sie gerade noch stützen und legte sie ins Gras.
Emma schob sich zurück auf das Dach und kletterte vorsichtig auf die andere Seite. Sie wollte sich von der Dachrinne auf die Schuttberge hangeln. Von ferne hörte sie jetzt die Polizeisirenen. Und dann fiel ein Schuss. Emma schrak zusammen und rutschte die Dachrinne herunter. Schmerzhaft riss sie sich die Handflächen an der Mauer auf, dann sprang sie und landete auf dem nassen schweren Rasen, der schmatzend nachgab. Sie rannte um das Portal und blieb im Licht der Scheinwerfer stehen. Polizisten sprangen aus den Wagen, Blume schrie ihnen entgegen, sie sollten stehen bleiben. Eichwald hatte jetzt plötzlich wieder eine Pistole in den Händen. Emma wich zurück in den Schutz der Dunkelheit und presste sich an die kalte Steinmauer der Kirche. Eichwald drehte ihr den Rücken zu und richtete die Waffe auf Achim. Er schrie, völlig von Sinnen:
»Marlon war erst fünfzehn Jahre alt! Ihr habt ihn abgefüllt, du und Lukas. Ihr habt ihn fertiggemacht!«
Achim hob beschwörend die Hände. Die Panik schwang in seiner Stimme.
»Ich war doch selber völlig dicht. Ich hab das doch alles gar nicht mitbekommen. Lukas hat ihm das Zeug in die Zähne gerieben, ich konnte gar nichts tun, ich …«, Achim sah getrieben von Eichwald zu Blume, der sich die Szene hilflos ansah, und fuhr fort: »Er zuckte, ja, aber das ist uns allen doch schon mal passiert. Ich dachte nicht, dass er stirbt. Ich war drauf, ich dachte, da muss er durch!«
Eichwald lud die Waffe durch, und Achim brach in Tränen aus. Seine Stimme überschlug sich: »Rocco ist ausgerastet, er sagte, das sei schlecht fürs Geschäft und wir sollten Marlon nach Berlin bringen, vor den Tresor, da gäbe es doch dauernd solche Typen. Aber Rocco war zu voll, genau wie ich. Wir haben es einfach nicht geschafft, den Jungen ins Auto zu tragen. Deswegen hat Lukas dich angerufen.«
Eichwald hob den Arm mit der Waffe. Tränen liefen ihm über die Wangen. Er stand dort, im Scheinwerferlicht der Polizeiwagen, die Menge um ihn herum war wie in einem Standbild erstarrt. Nur der Wind pfiff und zerrte kalt an ihm. Achim fasste sich etwas und trat einen Schritt auf Eichwald zu.
»Du hast doch immer gemacht, was Lukas wollte. Du hast den Jungen in den Kofferraum getragen. Du hast ihn mit auf den Bürgersteig gelegt. Er hat noch gelebt. Er hätte gerettet werden können. Du bist genauso schuld wie wir, Christian.«
Emma sah nur die zuckenden Schultern von Eichwald. Dann hörten sie von fern die Sirene eines Krankenwagens, der sich rasch zu nähern schien. Emma sah einen Moment auf die Straße. Dann hörte sie nur noch, wie Blume »Nein« schrie. Und dann kam der Schuss. Sie schrak zusammen und starrte nach vorn. Eichwald lag auf dem Boden. Er hatte sich die Pistole an die Schläfe gehalten und den halben Kopf weggeschossen.
Blume schrie jetzt nach dem Krankenwagen und wischte sich das Blut aus den Augen.
Auch Achim und Gesine Lorenz trugen Spuren von Blut und Hirn auf ihren Körpern. Die Lehrerin schrie, Achim versuchte, sie zu beruhigen. Aber sie schlug panisch nach ihm.
Emmas Knie zitterten, langsam ließ sie sich ins feuchte Gras fallen. Der Notarztwagen hielt auf dem Kirchplatz,
Weitere Kostenlose Bücher