Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)
herkommen? Dann rede ich mit Ihnen über meinen Sohn.«
»Ja, Herr Brinkmann, das will ich. Ich brauche eine Weile, ich bin jetzt in Berlin.«
»Fahren Sie die B5 raus. Unser Dorf liegt hinter Hoppegarten. Sie finden mich in dem roten Haus am Dorfanger, neben der Kirche.«
»Ich mache mich gleich auf den Weg.«
Emma war schon auf der Ausfallstraße, da fiel ihr der Pressesprecher der CDU ein. Sie fluchte, blinkte und fuhr rechts ran. Sie hatte sich Bentes Auto ausgeliehen, einen alten Peugeot, um nicht in einem Firmenwagen mit dem Senderlogo vorne auf der Kühlerhaube im Dorf vorfahren zu müssen. Je weniger Aufsehen es vor der Veröffentlichung gab, desto besser. Die Heizung hatte sie voll aufgedreht, dennoch war es kühl. Aus der Lüftung kam nur ein schwacher Hauch.
Ihre Tasche lag auf dem lederbezogenen Beifahrersitz. Sie zog ihr Handy heraus und rief in der Redaktion an. Bente versprach ihr, den Pressesprecher anzurufen.
»Danke. Und da ist noch was …«
»Ja?«
»Ich hab das update noch nicht aufgesprochen. Der Zettel müsste noch auf meinem Schreibtisch liegen.«
Bente lachte leise.
»Eigentlich wollte ich schon weg sein. Was hättest du dann gemacht?«
»Mich drei Wochen vor Susanne versteckt.«
»Na, dann sprech ich das lieber mal auf. Ich nehme dann übrigens den Wagen vom Sender mit. Komm nachher vorbei, dann tauschen wir wieder.«
Emma war erstaunt. Warum behielt Bente den Firmenwagen nicht bis morgen früh? Aber dann verstand sie und grinste.
»Du willst wissen, wie es war, oder? Okay, ich komm nachher vorbei.«
Während sie sich am Telefon verabschiedeten, lief ein Paar mit einem Mädchen im Teenageralter im Schlepptau an ihrem Auto vorbei. Emma stockte für einen Moment der Atem. Das Mädchen sah aus wie Jenni. Die gleiche schlaksige Gangart, die langen schwarz gefärbten Haare, die so gar nicht zum hellen Teint der Haut passten. Das Mädchen trottete hinter ihren Eltern her. Mit jeder Faser ihres Körpers gab sie zum Ausdruck, wie wenig ihr an dem Spaziergang lag. Jetzt waren sie an ihr vorbei. Emma warf ihr Handy zurück auf den Sitz und umfasste mit beiden Händen das Lenkrad, bis ihre Knöchel weiß hervortraten. Heute genau vor einem Jahr hatten sie Jenni gefunden, aufgeknüpft an einem Springseil in der Turnhalle ihrer Schule. Emma hatte ihre Heimatstadt verlassen und sich hier in Berlin verkrochen, weg von den Beschimpfungen von Jennis Mutter, die ihr die Schuld gab, weg von den tuschelnden Kollegen und Nachbarn.
Sie drehte sich um. Das Paar und seine Tochter waren nicht mehr zu sehen. Emma holte Luft und startete den Wagen.
Die Bäume am Straßenrand waren noch kahl. Statt Blätter trugen sie die Wahlplakate der Parteien. Emma schaute im Vorbeifahren auf lächelnde Gesichter, gepflegt frisierte Köpfe und Slogans, die von Sicherheit und Tatkraft tönten. Nur die Rechten hatten auf Politikerporträts verzichtet. Auf einem gezeichneten Plakat flogen Männer mit Turban und verschleierte Frauen auf einem Teppich davon, darunter stand »Ab in die Heimat«. Auf einem anderen lachte eine blonde Frau mit einem Baby auf dem Arm in die Kamera. Zuerst waren diese Plakate nur vereinzelt hoch oben an den Stämmen der Bäume aufgetaucht. Doch mit der Zeit säumten immer mehr davon den Straßenrand. Emma gab Gas. Auf dem neuen Betonbelag der Bundesstraße klebten getrocknete Tierkadaver, Igel oder Kaninchen, die die Märzsonne aus ihrem Versteck gelockt hatte. Auf den Feldern hinter den Gräben lag noch Schnee.
Berlin, Zehlendorf
D er Sportplatz lag versteckt hinter einem Gräberdenkmal. Die Jungs konnten hier ungestört schreien und toben, nur das Parken war immer ein Problem. Blume ließ seinen Wagen an der Hauptstraße stehen und ging quer über die Anlage, vorbei an Blumenrabatten und langen Steinplatten mit verwitterten Inschriften zum Fußballplatz.
Er hatte es nicht über das Herz gebracht, seinem Sohn den Besuch beim Spiel abzusagen. Aber er musste dringend mit seinem Informanten reden. Gewöhnlich trennte er sein Privatleben strikt von seiner Arbeit, aber manchmal ging es eben nicht anders. Achim hatte sich bereit erklärt, zum Fußballplatz zu kommen.
Johann spielte jetzt das zweite Jahr und war in die F-Jugend gewechselt. Die zusätzlichen Sportstunden taten seiner Kondition gut, aber Blume war noch immer erschreckt von dem martialischen Geschrei des Trainers und mancher Väter am Spielfeldrand. Sein Sohn schien davon unbeeindruckt. Nach den Spielen konnte er stundenlang über
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