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Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)

Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechthild Lanfermann
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diesen genialen Pass oder jene verpatzte Torchance reden. Ein aufgeschrammtes Knie wurde stoisch ertragen, ein Lob vom Trainer hundertmal wiederholt.
    Blume beobachtete das mit gemischten Gefühlen. Johann hatte noch immer nicht seinen Platz in der Klasse gefunden. Mit Freundschaften tat er sich schwer. Wenn er den Jungen von der Schule abholte, sah er ihn oft allein auf dem kleinen Sportfeld einen Ball vor sich hin kicken oder scheinbar teilnahmslos am Rand einer Gruppe stehen und mit sehnsüchtigem Blick dem Lachen und Necken der größeren Jungs lauschen. Jedes Mal gab es Blume einen Stich, und er fragte sich, ob seine und Karins Trennung mit dem Verhalten des Jungen zu tun hatte. Vielleicht hatte er das Vertrauen in stabile Beziehungen verloren und nahm aus Angst vor Enttäuschungen gar nicht mehr die Mühe auf sich, andere kennenzulernen? Im Sportverein hingegen strengte er sich mächtig an, um dazuzugehören. Er schien die körperliche Nähe im Spiel mit den anderen zu genießen. Nach jedem Tor fielen sie sich begeistert in die Arme. Vor den Berührungen seiner Eltern wich er zurück.
    Der Trainer war ein Vater, dem nach drei Mädchen endlich ein Junge geschenkt worden war. Schon vor der Halbzeit hatte er sich heiser geschrien.
    »Decken, Marvin, scheiße, du musst den Typ decken, verdammt!«
    Blume biss sich auf die Lippen. Er hatte den Trainer nach den ersten Spielen gebeten, die Kinder weniger anzubrüllen. Der Mann hatte sich das schweigend angehört und vielleicht auch aufgrund von Blumes Stellung als Kriminalpolizist nur genickt. Drei Wochen lang hatte Johann das auf der Ersatzbank büßen müssen. Seitdem war Blume vorsichtiger geworden.
    »Abgeben, Johann, Mensch guck doch, Hannes steht ganz frei!«
    Johann verlor den Ball an seinen Gegenspieler und sah schuldbewusst zum Trainer. Dabei streifte sein Blick auch seinen Vater, der ihn anlächelte und leicht den Arm zur Begrüßung hob. Johann freute sich, dass er da war, und winkte zaghaft, drehte sich dann aber gleich wieder um und rannte dem Ball hinterher. Blume sah sich suchend um und schaute auf die kleine Tribüne am Spielfeldrand. Dort saßen ein paar verstreute Gestalten, eine Gruppe von Müttern, die sich ohne auf das Spiel zu achten unterhielten, ein Vater, der leise telefonierte, und Achim Schrandt, ein fettleibiger Mann um die vierzig, der in einen schwarzen knielangen Mantel gehüllt vor sich hin fror. Blume ging zielstrebig auf ihn zu, lächelte den Frauen zu, nickte grüßend zu dem telefonierenden Vater und setzte sich neben Schrandt, der, ohne auf seinen Gruß zu reagieren, starr nach vorne auf das Spielfeld blickte.
    Eine Weile sahen beide stumm dem Spiel zu. Die Hautfarbe des Trainers wechselte langsam von Rot ins Pflaumenfarbene, trotzdem ignorierten die Jungs sein Schreien. Wer könnte den Langmut haben, im hinteren Spielfeld den Gegner zu decken, wenn er die Chance hatte, vorzupreschen und ein Tor zu schießen!
    Der breite Mann neben Blume regte sich.
    »Sie werden alle sagen, dass sie bei Rocco Schmitz waren.«
    Blume wandte den Blick nicht vom Spielfeld.
    »Bist du sicher, dass es nicht so war?«
    »Ich bin mit dem Auto vorbeigefahren. Da war alles dunkel.«
    Ein Spieler aus Johanns Mannschaft zielte halbherzig auf das Tor. Der Torwart hielt den Ball und schoss ihn mit Kraft zu einem Spieler in die Mitte des Feldes. Dort war alles frei, die gesamte Abwehr war mit vor das gegnerische Tor gelaufen.
    Der Trainer raste, und die Jungs machten kehrt.
    Der Dicke sagte leise:
    »Rocco Schmitz hat den Lehrer übel zusammengeschlagen. Er wollte unbedingt rausfinden, wo er die Drogen ver steckt hat. Als der Lehrer zusammenklappte, hat Rocco Schiss bekommen und ist abgehauen. Aber er schwört, dass Brinkmann noch gelebt hat, als er mit ihm fertig war.«
    Ein Mittelfeldspieler lief jetzt mit dem Ball auf das Tor von Johanns Mannschaft zu. Dort stand der Sohn des Trainers, rotblond und stiernackig wie sein Vater und wartete auf ihn.
    Blume warf einen schnellen Blick auf den Mann neben ihm.
    »Brinkmann ist erdolcht worden. Mit einer Eisenspitze von einem alten Helm. Kein Totschlag, sondern Mord.«
    »Rocco sagt, er hat ihn nur vermöbelt. Aber ich weiß nicht. Er kann total ausrasten. Dem trau ich alles zu.«
    Tooor! Entsetzt starrte der stiernackige Trainersohn dem Ball hinterher, der wie ihm zum Hohn langsam in die Ecke des Netzes trudelte. Für einen Moment herrschte Stille, dann brachen die Fans der gegnerischen Mannschaft in Jubel aus.

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