Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)
sollte auf ein Konzert im Admiralspalast hingewiesen werden, mit dem Veranstalter gab es eine Kooperation. Die neue Praktikantin mit den langen blonden Haaren hatte aus einem Interview mit dem Sänger der Band kleine Wortschnipsel herausgeschnitten, die in der Vorbereitung auf das Konzert im Programm verteilt gesendet werden sollten. Für diese Arbeit bekam sie viel Lob, vor allem von den älteren männlichen Kollegen. Mit halb verhangenen Augen blickte sie leicht verächtlich auf ihre Bewunderer, und Emma konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Die Sitzung löste sich auf. Schulenburg ging mit einem allgemeinen Nicken in die Runde hinaus. Harms machte wieder seinen üblichen Katzenbuckel und kritzelte auf den Sendelaufplänen herum, während Schneider laut lachend und plaudernd mit Ernst zur hinteren Glastür ging. Emma sagte leise zu Bente:
»Nimm’s nicht persönlich, du weißt doch, wenn der Schmacht hat …«
Bente stand auf, nickte und raffte ihre Zettel zusammen. Sie presste sie an sich und ging ohne ein Wort zu sagen auf die Glastür zu. Emma wollte ihr folgen, als sich ihr Ingrid in den Weg stellte.
»Musste das sein, mich so vor dem Chef anzuschwärzen? Das fand ich total unkollegial von dir!«
Emma sah sie erstaunt an. Vor ihnen gingen die Techniker durch die Glastür, sie waren jetzt allein in dem Raum.
»Ich wollte dich nicht anschwärzen. Mir war das Thema wichtig.«
»Quatsch, du wolltest dich nur vor Schulenburg aufspielen.«
Jetzt langt’s aber, dachte Emma. Laut sagte sie:
»Ich hätte auch sagen können, was ich dachte, dass dein Beitrag nämlich längst fertig war und du nur keinen Bock hattest, ihn nach der Meldung noch mal umzuarbeiten.«
Ingrids kleine schwarzumrandete Augen verengten sich. Vielleicht hatte sie in einer Frauenzeitschrift etwas über smokey eyes gelesen, sie sah aus, als wolle sie sich in einer Geisterbahn bewerben. Aber Emma sah noch etwas anderes als Wut in ihnen: Ingrid schien Angst zu haben. Fühlte sie sich in ihrer Stellung als beliebteste Frühreporterin bedroht? Emma zuckte mit den Schultern und meinte versöhnlich:
»Komm schon, der Ü-Wagen war gut, und jetzt geht’s weiter. Was macht das hier für einen Sinn, wenn wir nicht auch Tacheles reden? Bente hat doch auch was gesagt!«
»Ja, Bente.« Ingrid drehte sich um und ging auf die Glastür zu. »Bente will ja auch Schneiders Job.« Emma blieb stehen und sah der Kollegin überrascht hinterher. Ingrid schien es nicht zu bemerken. Sie lachte, schon halb durch die Tür.
»Aber der hat’s ihr ja heute ganz schön gegeben.«
»Vonderwehr, RadioDirekt. Ich möchte gerne die Direktorin sprechen.«
»Die ist im Unterricht.«
»Und wann ist Schulschluss?«
»Frau Ansbach ist heute den ganzen Tag beschäftigt. Sie kann leider nicht mit Ihnen sprechen.«
Emma merkte, wie ihr der Ärger hochstieg.
»Frau Ansbach hat einen Rechtsradikalen an ihrer Grundschule eingestellt. Es wäre gut für sie und den Ruf der Schule, wenn sie mir glaubwürdig versichern würde, dass sie das nicht aus politischer Sympathie getan hat.«
Die Frau am Telefon zögerte.
»Bitte warten Sie einen Moment.«
»Aber gerne«, murmelte Emma. Eine Warteschleifenmusik erklang, und Emma hielt den Hörer leicht vom Ohr ab. Sie sah durch den Raum. Bente schien sich von der Mor gensitzung erholt zu haben. Sie stand mit Andreas und Sebastian, dem Redaktionssekretär, am Nachrichtendesk und unterhielt sich lachend über eine Seite, die sie sich zusammen an Sebastians Computerbildschirm ansahen. Ernst telefonierte angeregt und blätterte dabei in einem Buch, die anderen Kollegen schrieben oder lasen an den Bildschir men. Es herrschte eine entspannte Arbeitsatmosphäre, die Com puter surrten, und die Heizungen bullerten leise vor sich hin.
»Wie war noch Ihr Name?«
»Emma Vonderwehr. Von RadioDirekt.«
»Moment. Frau Ansbach ist gleich da.«
Emma hörte ein Klicken, dann eine ruhige volle Frauenstimme. »Sabine Ansbach.«
Emma setzte sich auf.
»Frau Ansbach, ich würde gerne wissen, wieso ein rechtsradikaler Lehrer an einer staatlichen Grundschule unterrichten darf.«
Die Frau an der Leitung seufzte.
»Weil es keine Möglichkeit gibt, ihn daran zu hindern.«
Emma riss erstaunt die Augen auf.
»Wie bitte? Das kann nicht Ihr Ernst sein.«
»Mein voller. Wenn Sie jetzt hier in meinem Büro wären, könnte ich Ihnen ganze Aktenordner zeigen, die das belegen.«
»Tut mir leid, Frau Ansbach, aber das glaube ich tatsächlich erst, wenn
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