Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)

Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechthild Lanfermann
Vom Netzwerk:
ihr half, in Berlin Fuß zu fassen, hatte es nicht so geklungen, als ob er viel von Helene halten würde. Im Grunde war er schuld, dass seitdem ihr Verhältnis zu ihrer Mutter so schwierig war.
    »Ich geh jetzt.«
    Schneider sagte nichts, er nickte. Emma zog die Tür etwas heftiger zu als nötig und stapfte durch den Flur in Richtung Aufzug.

Berlin, Zehlendorf
    D ie Schule war in einem Gründerzeitgebäude aus rotem Backstein untergebracht. Ein altes Foto auf dem Gelände wies den Bau als ein ehemaliges Krankenhaus aus. Auf dem einstigen Rosengarten stand jetzt ein Klettergerüst, und ein Gang, gesäumt von einer Pergola, war einer Reihe kniehoher Eisenstangen gewichen, an denen unzählige rote, grüne und blaue Fahrräder gekettet waren.
    Der Schulhof lag wie ausgestorben da. Emma sah auf die Uhr, es war kurz vor zehn, dritte Stunde. Sie stieg die breiten Stufen zum Eingang hoch und zog die schwere Eingangstür auf. Sofort schlug ihr der typische Schulgeruch entgegen, eine Mischung aus Schweiß, Gummi und Essigreiniger. Ein Schild wies ihr den Weg zum Sekretariat, sie klopfte an und betrat einen Raum mit knarrendem Parkett und großen Flügelfenstern. Eine füllige Frau Anfang fünfzig saß an einem Resopalschreibtisch und lächelte ihr entgegen. Emma stellte sich vor, die Frau hörte auf zu lächeln und erhob sich von ihrem Platz. Mit kurzen trippelnden Schritten ging sie zu einer Verbindungstür, klopfte, sprach ein paar Worte und winkte Emma durch. Als sie an ihr vorbei durch die Tür ging, nahm Emma den durchdringenden Moschusgeruch der Sekretärin wahr – die Perlenkette auf dem Busen wogte.
    »Frau Vonderwehr, kommen Sie herein. Möchten Sie einen Kaffee?«
    Die Sekretärin schnaubte entrüstet durch die Nase, und Emma zog es vor, dankend abzulehnen.
    Sabine Ansbach sah aus, als stünde sie kurz vor ihrer Pensionierung. Die ältere Frau war sehr schmal. Sie trug das dunkle fedrige Haar zu einem Dutt am Hinterkopf gesteckt und hatte die großen Augen sorgfältig geschminkt. Sie erin nerte Emma an die Schauspielerin Geraldine Chaplin. Sie bot Emma an, sich zu setzen und lehnte sich selbst gegen ihren Schreibtisch.
    »Wir bedauern alle sehr den Tod unseres Kollegen. Ein Mord auch noch, wie schrecklich. Wir haben heute …«
    »Moment bitte, Frau Ansbach.« Emma zog ihr Mikrofon aus der Tasche und stöpselte es in ihr Aufnahmegerät. Sabine Ansbach beobachtete sie dabei misstrauisch. Emma stellte sich neben sie und hielt ihr das Mikrofon mit einem aufmunternden Lächeln unter die Nase. Die Direktorin räusperte sich und sagte nun deutlich langsamer:
    »Der Tod von Lukas Brinkmann ist ein schwerer Schlag für uns alle. Eine sehr erfahrene Kollegin hat heute seinen Unterricht übernommen. Sie hat mit den Kindern gesprochen. Wir planen einen Gedenkgottesdienst abzuhalten, wenn, nun, wenn die näheren Umstände dieses Vorfalles aufgeklärt sind.«
    Emma kontrollierte den Pegel ihres Aufnahmegerätes. Die Frau hatte eine angenehm volle und warme Stimme, sie klang jünger als sie aussah.
    »Frau Ansbach, seit wann wissen Sie, dass Lukas Brinkmann Mitglied der Rechten Liga ist?«
    Die Direktorin seufzte. Sie verschränkte die Arme und sagte etwas leiser als vorher:
    »Ein Vater machte uns darauf aufmerksam. Er hatte ihn in einem Zeitungsartikel wiedererkannt, es war bei einer Demonstration vor zwei Jahren. Brinkmann trug die Fahne.«
    »Und was haben Sie unternommen?«
    »Nun, ich stellte ihn zur Rede. Er stritt es nicht ab, das war in Anbetracht der Beweislage auch unsinnig. Er sagte, das sei seine Privatsache und habe nichts mit seiner Arbeit hier zu tun.«
    Emma wechselte das Mikrofon in die linke Hand.
    »Und dann?«
    »Ich habe mich bei der Schulverwaltung erkundigt. Er hatte Recht. Die Partei ist nicht verboten. Ich kann ihn deswegen nicht entlassen.«
    »Aber wie kann ein Beamter …«
    »Moment, Brinkmann war nicht verbeamtet. Wie Sie ja vielleicht wissen, belässt das Land Berlin seine Junglehrer im Angestelltenstatus.«
    »Aber doch erst seit einigen Jahren. Brinkmann war doch schon länger im Schuldienst.«
    »Da haben Sie Recht. Wir haben ihn immer wieder zurückstellen lassen, und er hat nicht dagegen protestiert. Vielleicht wusste er, dass es Ärger geben würde.« Die Direktorin lächelte kurz. »Oder er hatte keine Lust, ein Bekenntnis zu unserer demokratischen Staatsordnung abzulegen.«
    Emma ließ das Mikrofon sinken. Sabine Ansbach richtete sich auf, ging zu einem Aktenschrank hinter dem Schreibtisch

Weitere Kostenlose Bücher