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Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)

Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechthild Lanfermann
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und zog einen grauen Aktenordner heraus. Sie legte ihn auf den Schreibtisch und schlug ihn auf. Interessiert trat Emma näher.
    Die Direktorin öffnete den Ordner und blätterte durch die Seiten.
    »Zuerst versuchten wir ihn zu suspendieren. Brinkmann wehrte sich. Er holte sich Unterstützung von der GEW , der Lehrergewerkschaft. Wir mussten ihn weiterbeschäftigen.«
    Sabine Ansbach blätterte weiter. Eine helle Strähne, die am Ansatz grau nachwuchs, hatte sich aus dem Dutt gelöst und legte sich in einer weichen Welle auf ihre Wange. Die Frau steckte sie achtlos hinter ihr Ohr.
    »Wir brachten den Fall vor das Verwaltungsgericht. Wir argumentierten, Brinkmanns politische Ausrichtung sei unvereinbar mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.«
    Sie sah hoch. Emma hatte das Mikrofon vor ihr auf dem Schreibtisch platziert.
    »Das Gericht wies die Klage ab. Die Teilnahme an einer genehmigten Demonstration beweise noch nicht eine undemokratische Grundhaltung. Im Gegenteil.« Jetzt lachte die Direktorin wieder trocken und kurz.
    »Demonstrieren ist ja gerade ein demokratisches Grundrecht.« Sie schlug den Ordner zu und sah Emma an.
    »Wir hätten ihm nachweisen müssen, dass er versuchte, die Kinder politisch zu beeinflussen. Aber wie hätte ich das machen sollen?«
    »Sie hätten sie fragen können?«
    Die Direktorin sah Emma wütend an.
    »Sechs- bis neunjährige Kinder? Die Eltern wären mir aufs Dach gestiegen!«
    Emma rückte das Mikrofon näher ans Ende des Tisches. Je interessanter es wurde, desto leiser schien die Direktorin zu sprechen. Sie fragte:
    »Wussten die Kollegen davon? Und die Eltern?«
    Die Direktorin warf einen Blick zur Uhr.
    »Frau Vonderwehr, ich muss mich jetzt wirklich vorbereiten, gleich …«
    »Frau Ansbach, ich kann die Kollegen und die Eltern auch einzeln anrufen. Wollen Sie es mir nicht lieber erklären?«
    Die ältere Frau zögerte, dann wies sie mit dem Kinn auf das Aufnahmegerät.
    »Gut, aber nur wenn Sie das da ausschalten.«
    Emma nahm den Rekorder, stöpselte das Mikro aus und legte es in ihre Tasche. Die Direktorin schien sich sichtlich zu entspannen. Sie sah Emma jetzt fast freundlich an.
    »Die Kollegen haben das natürlich mitbekommen. Manche gingen auf Distanz, besonders beliebt war der Brinkmann sowieso nicht gewesen. Ich glaube, die meisten wollten damit einfach nichts zu tun haben. Bei den Eltern war es natürlich schwieriger.«
    Sie ging zum kleinen Spiegel an der Seite ihres Schreibtisches und kontrollierte ihr Spiegelbild. Mit einer routinierten Geste steckte sie die Haarsträhne zurück in den Dutt.
    »Er war ja zum Glück kein Klassenlehrer. Sport und Musik, was kann man da schon anrichten. Ich habe alle Eltern zuhause besucht. Mir den Mund fusselig geredet. Wie gut sich ihr Kind entwickeln würde. Wie wichtig der Zusammenhalt wäre.«
    Sie zuckte die Schultern und wandte sich vom Spiegel ab.
    »Drei Kinder haben wir wegen der Sache verloren.«
    Die Pausenklingel schrillte durch das Gebäude. Wie von Zauberhand füllte ein Summen die Luft. Türen klappten, Tritte hallten, ein Kind rief etwas, ein anderes lachte. Die Direktorin ging zur Tür, öffnete sie und wartete darauf, dass Emma hindurchging. Emma nahm ihre Tasche und erhob sich langsam. Sie sagte:
    »Wissen Sie, wenn ich höre, was der Mann Ihnen für Ärger gemacht hat, kann ich mir kaum vorstellen, dass sein Tod für Sie so ein – wie haben Sie gesagt – so ein schwerer Schlag ist.«
    Sabine Ansbach lächelte wieder. Sie ließ Emma durch die Tür gehen und schloss sie leise. Dann drehte sie sich zu ihrer Sekretärin um, die den Kopf gehoben und den letzen Worten Emmas aufmerksam gelauscht hatte.
    »Wir sind hier eine humanistische Schule, Frau Vonderwehr. Ich wünsche niemandem einen gewaltsamen Tod, weiß Gott nicht. Aber«, und sie trat noch einen Schritt näher an den Schreibtisch ihrer Sekretärin heran, »ich habe auch eine Verantwortung für die Mitarbeiter. Wir können es uns nicht leisten, als Nazischule zu gelten.«
    Sabine Ansbach nickte ihr noch einmal zu und ging dann durch die Tür. Emma hörte ihre Schuhe im schnellen Schritt durch den Flur klappern und wollte ihr folgen. Die Sekretärin stellte sich ihr in den Weg. Sie lächelte auch jetzt nicht.
    »Ich muss Sie bitten, das Grundstück zu verlassen. Weitere Interviews können wir nicht zulassen. Ihre Kollegin hat die Kinder heute Morgen sehr verstört.«
    Danke Ingrid, dachte Emma und sagte:
    »Auf die Toilette gehen werde ich ja wohl

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