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Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden

Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden

Titel: Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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außerhalb des Westens entstanden ist: China. Was wir herausfinden müssen, ist, wie sehr sich die ersten dortigen Ackerbaukulturen von denen im Westen unterschieden und ob diese Unterschiede dazu führten, dass sich der Osten und der Westen auf unterschiedlichen Bahnen entwickelt haben – was wiederum erklären könnte, warum westliche Gesellschaften rund um die Welt zur Herrschaft kamen.
    Bis vor kurzem wussten die Archäologen sehr wenig über den frühen Ackerbau in China. Viele Gelehrte glaubten sogar, dass der Reis, dieser Inbegriff der chinesischen Küche, seine Geschichte nicht dort, sondern in Thailand begonnen hat. Erst als 1984 entdeckt wurde, dass auch im Jangste-Tal wilder Reis wuchs, war klar, dass er auch hier hat domestiziert werden können. Das allerdings lässt sich archäologisch nur schwer bestätigen. Das Problem liegt im Unterschied der Verarbeitung: Während Bäcker stets etwas von ihrem Brot anbrennen und damit den Archäologen verkohlte Weizen- oder Hirsekörner übrig lassen, kommt es beim Kochen, der sinnvollsten Art der Reiszubereitung, selten zu solchen Zwischenfällen. Entsprechend schwerer lassen sich Spuren alter Reisarten finden.
    Doch mit ein bisschen Erfindungskraft konnten die Archäologen dieses Hindernis bald umgehen. 1988 stellten Ausgräber in Pengtoushan im Jangste-Tal (Abbildung 2.7) fest, dass Töpfer um 7000 v. u. Z. begonnen hatten, Reisschrot und -stängel unter den Ton zu mischen, damit ihre Töpfe im Brennofen nicht so leicht sprangen, und nähere Untersuchungen brachten dann den eindeutigen Nachweis, dass diese Zusätze von kultivierten Pflanzen stammten.
    Der eigentliche Durchbruch begann 1995, als sich Yan Wenming von der Peking University 1* mit dem amerikanischen Archäologen Richard MacNeish zusammentat – einem Feldforscher, wie er im Buche steht. 2* MacNeish brachte nicht nur eine jahrzehntelange Erfahrung im Studium des frühen Ackerbaus mit nach China, sondern auch die Archäobotanikerin Deborah Pearsall, und die wiederum hatte eine neue wissenschaftliche Technik im Gepäck. Reis bleibt in archäologischen Sedimenten nur selten erhalten, doch wie alle Pflanzen nimmt auch er geringe Mengen Kieselerde aus dem Grundwasser auf. Diese füllt einige Pflanzenzellen, und wenn die Pflanze verwest, hinterlässt sie in der Erde mikroskopische, zellenartig geformte Versteinerungen, Phytolithen genannt. Deren gründliche Untersuchung vermag nicht nur zu zeigen, ob die Leute an der Fundstätte Reis gegessen haben, sondern auch, ob die Pflanzen bereits kultiviert waren.

    [Bild vergrößern]
    Abbildung 2.7: Die Wiege des Ostens
    Stätten im heutigen China, die in diesem Kapitel erwähnt werden.
    Yan und MacNeish ließen in der Diaotonghuan-Höhle, Provinz Jiangxi, einen 4,80 Meter tiefen Graben ziehen, und Pearsall konnte anhand der dabei gefundenen Phytolithen nachweisen, dass Menschen um 12   000 v. u. Z. Wildreis ausgerissen und in die Höhle gebracht haben. Wie im Fruchtbaren Halbmond, wo, als sich die Erde erwärmte, Weizen, Gerste und Roggen gediehen, war auch im Jangtse-Tal eine goldene Zeit für Jäger und Sammler angebrochen. Die Phytolithen lieferten keinen Hinweis darauf, dass beim Reis, so wie beim Roggen in Abu Hureyra, eine Evolution hin zu domestizierten Formen stattgefunden hat, doch das Jüngere Dryas hatte im Jangtse-Tal die gleichen verheerenden Folgen wie im Westen. Um 10   500 v. u. Z. war Wildreis fast völlig aus Diaotonghuan verschwunden, kehrte aber zurück, als sich nach 9600 v. u. Z. das Klima wieder besserte. Um diese Zeit (und damit 2500 Jahre früher als im Fruchtbaren Halbmond) tauchen auch Fragmente grober Keramikgefäße auf, vermutlich Relikte von Kesseln, in denen Körner gekocht worden waren. Ab 8000 v. u. Z. werden die Phytolithen größer, ein sicheres Zeichen dafür, dass die Menschen Wildreis kultivierten. Um 7500 v. u. Z. waren in Diaotonghuan Körner vollständig wilder und solche kultivierter Reispflanzen gleichermaßen verbreitet; um 6500 v. u. Z. war der wilde Reis verschwunden.
    Ausgrabungen, die seit 2001 im Jangtse-Delta unternommen werden, bestätigen diese zeitliche Abfolge. Und wir wissen, dass die Menschen im Tal des Gelben |129| Flusses um 7000 v. u. Z. begonnen hatten, Hirse zu kultivieren. Um diese Zeit waren auch in Jiahu, einer bemerkenswerten Fundstätte zwischen Jangtse und Gelbem Fluss, Reis und Hirse kultiviert worden, möglicherweise auch Schweine domestiziert. In Cishan, Provinz Hebei, ließ ein Feuer um 6000

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