Wer sagt, dass Kinder gluecklich machen
Unruhe und Genervtheit manchmal nicht unterdrücken können, weil wir uns eigentlich auf die neue Freiheit gefreut hatten und uns nicht wieder über leere Autotanks, Kühlschränke und Kinder, die bis weit nach Mitternacht mit ihren Freunden in unserem Wohnzimmer »vorsaufen«, ärgern wollten.
Es gibt eine Menge Gründe, warum heutzutage noch so viele junge Leute an der elterlichen Nabelschnur hängen: die Wirtschaftslage, schlechte Zeugnisse, Antriebsarmut, Letzterer auch oft verursacht durch zu geringen elterlichen Antrieb. Und so sind der Hauptgrund oft wir, die Eltern. Denn warum zieht eine dreiundzwanzigjährige Studentin nicht ins Studentenwohnheim oder in eine Wohngemeinschaft? Warum bleibt sie lieber in ihrem Jugendzimmer mit der Barbie-Bettwäsche? Warum kriecht ein Einunddreißigjähriger nach diversen Pleiten, Pech und Pannen beruflicher und privater Natur wieder ins Hotel Mama zurück? Weil es dort so gemütlich ist!
Wer kennt es nicht, dieses Plopp, mit dem am Sonntagmittag der volle Wäschesack im Flur fallen gelassen wird, weil der Sohn, während er den mütterlichen Sonntagsbraten verspeist, seine Wochenwäsche waschen will beziehungsweise
von Mutti waschen lässt? Wer kennt sie nicht, die alte Dame, die ihrem Sohn, auch schon weit in den Vierzigern, erst einmal sein Hemd ordentlich bügelt mit den Worten »Deine Frau kann das ja nicht richtig …« und dann sein Lieblingsessen in der Tupperdose mitgibt, wenn er sie besucht?
Der Grund, warum wir, die heute Fünfundvierzig-
bis Fünfundsechzigjährigen, gleich nach der Schule ausgezogen sind, lag an unseren winzigen, nicht besonders gemütlichen Kinderzimmern und an den strengen Regeln unserer Eltern. Bis mittags im Bett herumlungern? Frühstücken, wenn die Küche längst aufgeräumt war? Den ganzen Tag im Pyjama herumlaufen, weil es »chillig« ist? Vorglühen mit den Kumpels bis Mitternacht und dann ab in die Klubs? Übernachtungsbesuch gegengeschlechtlicher Art, Wand an Wand mit dem Elternschlafzimmer? Und dann, halb nackt und postkoital, entspannt zwei Spiegeleier braten?
Genau das ist der Unterschied. Wir wären gar nicht auf die Idee gekommen. Unsere Kinder kennen es nicht anders.
Ist nicht jenseits des zwanzigsten Lebensjahres unserer Kinder das Verfallsdatum für den Aufenthalt im Elternhaus so langsam abgelaufen? Wir finden: ja. Wenn Kinder groß sind, müssen sie lernen, für sich selbst zu sorgen. Das geht nur in Ausnahmefällen in der elterlichen Wohnung. »Mein Sohn Paul war die absolute Superschlampe«, erinnert sich seine Mutter Karin, 52. »Ständig gab es Streit, weil er einfach alles, was er nicht mehr brauchte, fallen ließ wie Hundehäufchen. Und dann zog er in seine erste eigene Wohnung. Und als wir die Treppen hochkamen, rief er uns von oben zu: ›Zieht bitte die Schuhe aus, ich hab gerade gesaugt.‹ Das fand ich ganz wunderbar.«
Wie heißt es so schön? Loslassen bedeutet, beide Hände wieder frei zu haben. Aber bitte nicht zum Aufräumen des Kinderzimmers.
Magda, 58, ein Sohn, 27
»Ich habe immer funktioniert, war Chefsekretärin, immer von Entscheidungsträgern umgeben. Ich selbst bin auch eine, die gut funktioniert, die belastbar ist, die gerade Wege liebt. Ich bin ungeduldig, Dinge müssen immer schnell passieren. Hopp, hopp! Mein Sohn Ferdinand war nie wie ich. Er ist viel langsamer, viel zögerlicher als ich, neigt zur Schwermut. Als er klein war, habe ich das nicht so erkannt, er war nie ein guter Schüler, ist immer im Mittelfeld so durchgerutscht. Die Probleme fingen nach dem Abi an, er wusste einfach nicht, was er mit sich anfangen sollte. Nichts interessierte ihn so richtig. Er kriegte einfach, um es mal ganz drastisch zu sagen, den Arsch nicht hoch. Da ich eine sehr lösungsorientierte Frau bin, habe ich all meine Freunde, Bekannten, entfernten Familienmitglieder um Rat gefragt und um Praktika gebeten. Meinem Sohn war das oft peinlich. ›Mensch, Mami, du bietest mich ja an wie sauer Bier‹, beschwerte er sich, von selbst tat er nie etwas. Ich habe ihn dann an einer Wirtschaftsschule angemeldet, natürlich privat, natürlich schweineteuer. Die ging vier Jahre, im dritten Jahr hat er abgebrochen. War doch nicht so sein Ding, wie er mir sagte. Da bin ich richtig ausgerastet. ›Ich steh mit dem Rücken zur Wand‹, habe ich geschrien. ›Wenn du nicht endlich in die Hufe kommst, dann sehe ich ganz schwarz für dich.‹
Das war der Tiefpunkt zwischen uns. Mein Sohn verzog sich ins Bett, wo er ganze
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