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Wer sagt, dass Kinder gluecklich machen

Wer sagt, dass Kinder gluecklich machen

Titel: Wer sagt, dass Kinder gluecklich machen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Gerberding , Evelyn Holst
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Tage verbrachte. Wenn ich sein Zimmer betrat, sagte er nur matt: ›Na, willst du mal gucken, was der Loser so macht?‹ Sein Anblick machte mich gleichzeitig wütend und sehr besorgt. Wütend, weil er so ganz anders war als ich in seinem Alter, da arbeitete ich bereits als Sekretärin und war alleinerziehende Mutter, da hatte ich keine Zeit, um mir eine ›Luxusdepression‹ zu leisten, wie ich es insgeheim nannte. Besorgt, weil es ja vielleicht gerade an mir lag, dass er sein Leben so schlapp anpackte. Vielleicht hatte ich ihn mit meiner Tüchtigkeit, meinem ›Aufstehen, kalt duschen und dann ran an die Arbeit‹-Ansatz
nur noch tiefer in die Untüchtigkeit getrieben. Ein Vatervorbild gibt es nicht, sein Erzeuger war eine ganz kurze, verheiratete Affäre – und ich nicht seine einzige, wie ich inzwischen weiß. Er weiß von seinem Sohn und überweist regelmäßig Geld, aber da er noch vier andere Kinder von drei anderen Frauen hat, will er ihn nicht sehen. Ich habe immer gedacht, dass ich es auch allein wuppe, dass ich meinem Sohn Vater und Mutter sein kann, aber vielleicht habe ich uns beide damit auch überfordert.
    Nach dem Abbruch seines Studiums hat er zwei Jahre lang gejobbt, im Getränkemarkt und bei einer Eventagentur. Und ich habe mir sehr mühsam, aber erfolgreich, angewöhnt, ihn nicht mehr so unter Druck zu setzen. Ich bin schnell, mein Sohn hat ein anderes Grundtempo. Ich bin sehr ungeduldig, er kann abwarten. Das kann ja auch ein Vorteil sein, manchmal brauchen die Dinge eben länger, um sich zu entwickeln. Ich sage mir immer wieder, es ist sein Leben. Und wenn ich an diesem Leben teilhaben will, dann muss ich ihn so akzeptieren, wie er ist. Ich habe viele Fehler gemacht, zum Beispiel ihm sechs Monate lang den Geldhahn abgedreht. Wir hatten in der Zeit keinen Kontakt, aber seine Freunde haben mir später erzählt, dass er da wohl ein paar etwas krummere Dinger gedreht hat.
    Was in dieser Zeit am schlimmsten war? Die ständigen Fragen nach ihm. Manche Eltern haben da richtig Salz in meine offene Mutterwunde gerieben: ›Immer noch nichts Festes? Unser Fabian hat gerade ein Stipendium in Harvard bekommen, danach drei Angebote von New Yorker Investmentfirmen.‹ Irgendwann habe ich nur noch gesagt: ›Kein Thema, nächstes Thema.‹
    Im Moment macht mein Sohn ein Praktikum, wo er viel draußen in der Natur ist. Es scheint ihm zu gefallen. Ich bezahle seine Wohnung und seine Krankenkasse, für den Rest ist er zuständig. Ich bin vorsichtig optimistisch.«

»Glückliche Familie? Das ist eine Illusion!« – Die große Patchworklüge
    Papa stürzt aus dem Kinderzimmer, aus dem lautes Geschrei dröhnt. »Schatz, hilf mir! Dein Kind und mein Kind schlagen gerade unser Kind.« Diesen Witz sandte ein Zuschauer bei der Sendung Hart aber fair zum Thema Patchworkfamilien im September 2011 ein.
    Es klingt so simpel. So trügerisch einfach. »Mami und Papi trennen sich, aber das hat nichts mit dir zu tun. Mami und Papi sind auch weiterhin gute Freunde. Und sie haben dich noch immer ganz doll lieb, mein Schatz. Für dich ändert sich im Grunde gar nichts. Im Gegenteil, du hast jetzt zwei Kinderzimmer.« Aber es bleibt eben nicht bei zwei Kinderzimmern. »Komm, setz dich mal zu mir, mein Schatz, Mami möchte dir etwas sagen. Etwas Wunderschönes, du wirst dich freuen. Also, ich hab da jemanden kennengelernt, den ich sehr, sehr gern mag. Du wirst ihn auch mögen, da bin ich ganz sicher. Und seinen Sohn Kevin auch, der ist sogar in deinem Alter! Der kann dir dann bei Mathe helfen, da hat er nämlich eine Eins!« Früher war man ehrlicher. Stiefvater oder Stiefmutter nannte man den neuen Partner der Eltern, was nicht nur im Märchen böse und feindselig klang. »Stief« kommt von »stiof« und ist das althochdeutsche Wort für »beraubt«, »verwaist« und bedeutete nicht nur bei Schneewittchen oder Aschenputtel nichts Gutes, sondern auch heute
nicht, egal, wie sehr wir die Realitäten mit vorauseilendem Optimismus auch zukleistern.
    Patchworkfamilie heißt das Zauberwort, auch so ein trügerisch niedlicher Begriff. Klingt nach Kuschelquilt mit Herzchen und kleinen Schäfchen drauf. Fühlt sich aber oft an wie ein Kratzepulli.
    Patchwork entsteht, wenn vorher etwas kaputtgegangen ist
    Es sind nämlich zwei Familien, die einmal als Ganzes angefangen haben. Ehen zerbrechen, es gibt Scherben, die sich nicht mehr zusammensetzen lassen, die Scherben werden also beiseitegekehrt. Einer oder beide Partner verlieben sich

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