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Wer schlafende Hunde weckt

Wer schlafende Hunde weckt

Titel: Wer schlafende Hunde weckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Brookmyre
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hatte ihm von Wilma erzählt.«
    »McDade?«, hakte Jasmine plötzlich nach. »Das ist Fletcher? Cairns’ Kumpel?«
    »Schon seit sie Kadetten in Tulliallan waren, glaub ich«, erwiderte Catherine. »Was ist denn mit ihm?«
    »Egal«, sagte Jasmine und schaute zu Wilson hinüber. »Das hat Zeit.«
    Catherine fragte sich, warum das Mädchen die Verbindung nicht schon vorher hergestellt hatte, als ihr einfiel, dass sie ihnnoch nie mit Nachnamen genannt hatten. Das tat niemand – bei der Polizei war er für alle Fletcher oder Fletch.
    Wilson wirkte dankbar für die Unterbrechung; alle guten Anwälte wissen, was eine Pause wert ist, wenn sie feststecken. Diesmal konnte er den Karren aber nicht aus eigener Kraft aus dem Dreck ziehen.
    »Fletcher kam mitten in der Nacht zu mir. Ich dachte, jemand wäre gestorben. Das stimmte auch, nur nicht der, von dem er mir erzählte. Fletcher sagte, irgendein Mädchen hätte eine Überdosis genommen, ein armer Junkie, und das Baby hätten sie in ihrer Wohnung gefunden. Das Kind sei kaum eine Woche alt. Die Mutter hätte es zu Hause total zugedröhnt zur Welt gebracht und sei danach irgendwann losgegangen, neuen Stoff besorgen. Die Geburt war nicht registriert worden. Die Mutter war tot, und von dem Baby wusste keiner.
    Er sagte, sie könnten das Baby als unseres registrieren lassen, und niemand würde es je anzweifeln. Der Kleine würde ein gutes Zuhause bekommen, und wir bräuchten ihm die Sache nie zu erklären. Er musste nie wissen, dass er adoptiert war, und wir brauchten uns auch keine Sorgen zu machen, dass es ihm jemand anders erzählen würde, weil es keiner wusste. Wenn man mitten in der Nacht vor Verzweiflung nicht mehr ganz bei Sinnen ist, hört sich das alles ganz einfach an.«
    »Hatten Sie keine Angst, dass es auffallen könnte, dass Ihre Frau nicht schwanger war?«, fragte Catherine.
    »Wilma war schon lange nicht mehr aus dem Haus gegangen«, erwiderte er. »Wie gesagt war sie immer verzweifelter, immer depressiver geworden. Und auch immer üppiger. Heutzutage nennt man das ›Frustessen‹, glaube ich. In der Nacht kam sie nach unten, als sie uns reden hörte. Fletcher musste sie nicht zweimal fragen. Wir dachten, schlimmstenfalls drängelten wir uns ein bisschen vor und ersparten uns die ganze Adoptionsbürokratie.«

    »Wann haben Sie die Wahrheit erfahren?«
    »Ende der Woche stand die Story über die Ramsays in allen Zeitungen. Ich wollte es lange nicht wahrhaben, wollte mir einreden, dass es Zufall war, aber in Wirklichkeit wusste ich es. Ich habe diskret nachgeforscht und an dem Tag, in der ganzen Woche, keine einzige Drogentote gefunden.«
    »Haben Sie Fletcher darauf angesprochen?«
    »Ja, vorsichtig. Er hat schließlich zugegeben, dass es keinen toten Junkie gegeben hatte, sagte aber, es wäre nicht gut für mich, wenn ich mehr wüsste. Wörtlich. Ich habe es dabei belassen; ich wusste, dass er recht hatte. Ich wollte nicht mehr wissen und konnte auch nichts ändern. Zu dem Zeitpunkt hätte ich Wilma das Baby nicht mehr wegnehmen können, und ich habe es ihr nie verraten. Die Last musste ich allein tragen.«
    »Das hat Sie aber erpressbar gemacht, oder?«, sagte Catherine. »Dass die Polizisten so etwas über Sie wussten.«
    Er schüttelte schwermütig den Kopf.
    »Nein. Ich hatte die in der Hand. Ich hatte mir schlimmstenfalls eine illegale Adoption zuschulden kommen lassen. Ich weiß nicht, was mit den Ramsays passiert ist, aber mir war klar, dass für Fletcher und seine Kollegen weit mehr auf dem Spiel stand, wenn die Wahrheit herauskam; aber das hätte ich nie zugelassen. Was das mit Wilma angerichtet hätte … und später auch mit Dominic …«
    »Hat sich die Polizei deshalb auch in Dominics wilden Jahren so verständnisvoll gezeigt?«, fragte Catherine. »Wurden da Fäden gezogen und Gefallen eingefordert?«
    »Ich habe nie auf jemanden Druck ausgeübt. Ich glaube, Fletcher und gewisse andere fühlten sich für Dominic verantwortlich und haben deshalb vermittelt. Die haben sich mit gutem Recht schuldig gefühlt. Aber nur ich war dafür verantwortlich, dass Dominic über die Stränge schlug. Manchmal wurde mir die Last einfach zu schwer. Man sagt, es machtnichts, dass er nicht mein leiblicher Sohn ist, und das stimmt absolut, aber wenn man stark belastet wird, kommen einem unangebrachte Gedanken. Es gab oft Spannungen zwischen uns, und ich habe oft dazwischen geschwankt, ihn hart ranzunehmen und ihn dann wieder aus schlechtem Gewissen zu

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