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Wer schlafende Hunde weckt

Wer schlafende Hunde weckt

Titel: Wer schlafende Hunde weckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Brookmyre
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ein solides Arbeitstier, aber nicht gerade der Querdenker, der die entscheidende Verbindung herstellt, oder die treibende Kraft, die alle mit ihrer Begeisterung ansteckt und eine erlahmende Ermittlung wieder in Schwung bringt. In seiner verträglichen (manche würden sagen rückgratlosen) Art nahm er es auch niemandem übel, wenn er auf der Karriereleiter überholt wurde, und er hatte auch nie ein Problem damit, Anweisungen von jüngeren Kollegen beider Geschlechter zu befolgen. Catherine hatte mal den abfälligen Kommentar gehört, er würde auch Befehle von einem Neunjährigen befolgen, wenn er dann selbst keine Entscheidungen treffen müsste. Auf Catherine wirkte er aber eher wie jemand, der seinen Job mochte und nicht wollte, dass der sich änderte. Der arme Kerl hatte vor ein paar Jahren seine Frau verloren, Krebs, und manche hatten damit gerechnet, dass er in Frührente gehen würde, aber keiner, der ihn besser kannte, wunderte sich darüber, dass er blieb. Seine Kinder waren erwachsen und aus dem Haus, und außer seinem Deutschen Schäferhund namens Fritz war er allein.
    Als erster CID – Polizist vor Ort war er gleich in seinem Element gewesen: keine Eigeninitiative gefordert, nur besonnen die Situation unter Kontrolle behalten, bis seine Vorgesetzten eintrafen.

    »Einer vom China-Restaurant hat die Leiche gegen Viertel vor eins gefunden«, erklärte Raeside, als er Catherine und Laura mit leisem Schritt die Gasse entlangführte, als wäre er der Platzanweiser in der Kirche. Sie waren noch zwanzig Meter weit weg, aber Catherine kam es vor, als könnte sie in der schwülen Augustnacht schon die zusätzliche Wärme der Scheinwerfer spüren.
    »Er ist seine Mülleimer leeren gegangen und wollte gerade den Laden dichtmachen. Dachte erst, es ist ein Penner, der seinen Rausch ausschläft. War dann doch ein etwas tieferer Schlaf. Ich war in der Gegend, also war ich ’ne Viertelstunde nach dem Notruf hier. Hab ihn sofort erkannt. Deshalb hab ich’s nach oben weitergegeben. Das ist kein Penner. Das wird Folgen haben.«
    »Wer hat denn nun das große Los gezogen?«
    »Ein gewisser James McDiarmid.«
    »Nicht etwa James McDiarmid, Erster Offizier der Flotte von Fallside?«
    »Wenn Patrick Steel aus Gallowhaugh der Admiral ist, dann ja.«
    »Ganz sicher?«, fragte Catherine, bevor sie sich erlaubte, darüber nachzudenken, was das bedeutete.
    »An dem bin ich schon dran, seit er ein kleiner Junge ist. Schon damals ’ne fiese Nummer. Sieht zugegeben nicht mehr ganz wie sein Passfoto aus, aber er ist es auf jeden Fall: James Allan McDiarmid. Alias Jyzer, alias Jai.«
    »Jimmy heißt heute in Glasgow keiner mehr, was?«, hakte Laura nach.
    »Ist wohl nicht mehr so in«, erklärte Catherine. »Tut uns leid. Schon schade, wenn eine Stadt nicht dem entspricht, was man über sie gehört hat. Ich weiß noch, wie fertig ich nach meinem ersten Besuch in Edinburgh war, als ich nicht mal Harry Lauder getroffen hatte.«
    »Als er jünger war, haben sie ihn Jammy den Glückspilzgenannt«, fügte Raeside hinzu, als sie weitergingen. »Trifft heute wohl nicht mehr zu, wie es aussieht.«
    Catherine konnte die Leiche fast schon selbst sehen. Die Strahler waren auf eine Betoneinfassung für die Mülltonnen der Ladenzeile gerichtet. Der säuerliche Geruch von faulendem Gemüse lag in der warmen Luft. Sie war dankbar für das helle Licht, das die Leiche immer künstlich und klinisch aussehen ließ, als wäre sie schon in der Gerichtsmedizin. Der wirkliche Schrecken lag immer im Kontext: Tod, wo Leben sein sollte, die Blutlache auf dem Wohnzimmerteppich, die Leiche im hohen Gras neben dem Spielplatz. Grell angestrahlt sah ein Tatort aus wie ein Tatort, wie Catherines Arbeitsplatz, an dem eine neue Reise begann.
    Ihr Blick wurde von zwei Gerichtsmedizinern in weißen Overalls versperrt. Der eine nickte dem anderen kurz zu, als sie herankamen, und dieser drehte sich um und grinste trocken. Eine formellere Begrüßung konnte Catherine unter diesen Umständen nicht erwarten. Wie erwartet war es Cal O’Shea, der von seiner Kollegin Aileen Bruce begleitet wurde. Und wie erwartet kaute Cal irgendetwas.
    Früher hätte Catherine es völlig undenkbar gefunden, dass jemand in Gegenwart einer Leiche etwas essen konnte, sei es in einem Pathologielabor oder außerhalb, aber mit der Zeit hatte sie sich daran gewöhnt, dass er sich bei seinem Bericht durch allerlei Snacks und Sandwiches mampfte. Er war eine Handbreit kleiner als sie und spindeldürr,

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