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Wer schlafende Hunde weckt

Wer schlafende Hunde weckt

Titel: Wer schlafende Hunde weckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Brookmyre
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hörte auf, während Rita warmes Wasser in einen großen alten Teekessel goss. Sie hatte ihn gerade auf niedriger Flamme auf den Gasherd gestellt, als die Hintertür aufging und Ingrams hereinkam. Er trug eine Hose mit dunkelgrünem Tarnmuster, ein ärmelloses, schwarzes T-Shirt und eine Schutzbrille mit einem Gummiriemen. Man sahihm seine militärische Vergangenheit sofort an: Er war groß, fit und durchtrainiert, seine Haut gebräunt und wettergegerbt wie bei jemandem, der in einem wärmeren Klima viel draußen gewesen war.
    Als er die Tür zugezogen und sich die Brille abgenommen hatte, sah er, dass Rita Besuch hatte. Von der Tür aus fixierte er Jasmine mit einem Blick, der den von McDade im Vergleich wie ein Stimmungslicht im Hintergrund wirken ließ. Der Blick war so durchdringend, dass sie sich wie an den Stuhl genagelt fühlte, bis Ingrams sich von ihr abwandte und Rita fragend ansah. Er schien wenig begeistert von dem Besuch, aber Jasmine nahm an, dass das seine Standardeinstellung gegenüber Fremden war, die Rita noch nicht abgesegnet hatte.
    Jasmine schätzte ihn auf Anfang vierzig, es konnten aber auch fünf Jahre mehr oder weniger sein; er hielt sich auf jeden Fall in Form, aber etwas an seinem Gesicht deutete auf eine schwere Vergangenheit hin. Als hätten seine Augen mehr gesehen, als ihm lieb war. Sie wirkten still und ließen eine eisige Kälte und gefährliche Tiefe vermuten, in der Schreckliches lauerte.
    »Ah, Mr   Ingrams«, sagte Rita freundlich. »Das hier ist Jasmine. Sie ist uns aus Glasgow besuchen gekommen. Sie ist Privatdetektivin und sagt, Sie haben vor einiger Zeit mit ihrem Kollegen über einen Vermisstenfall gesprochen. Sie würde Ihnen gerne ein paar Fragen stellen.«
    Ingrams starrte wieder Jasmine an. Eine Spur von Verwirrung huschte ihm übers Gesicht, bevor es wieder den vorherigen Ausdruck unterdrückter Feindseligkeit annahm. Diesmal hatte sie keine Zweifel, dass seine Verwirrung daher rührte, dass er das Wort »Privatdetektivin« nicht mit dem vereinen konnte, was er vor sich hatte.
    »Ich kann Ihnen nichts sagen, was ich nicht auch schon Ihrem Kollegen gesagt habe«, erklärte er. »Und auch Ihrem Kollegen hatte ich nichts zu sagen.«

    Er ging zum Wasserhahn, schenkte sich ein Glas ein und trank es mit dem Rücken zu Jasmine aus. Aus der Nähe sah sie, dass er geschwitzt hatte, was das schwarze T-Shirt etwas kaschierte, und dass seine Haut mit einer feinen Schicht Sägemehl bedeckt war. Das Haar trug er kurz geschnitten und hinten und an den Seiten noch kürzer rasiert. Unter den graumelierten Stoppeln waren blasse Narben zu sehen wie die Kanäle auf dem Mars oder wie Überreste von Kornkreisen.
    Sie schaute besorgt zu Rita hinüber, um zu sehen, wie sie seine Reaktion aufnahm, vor allem die Offenbarung, dass er Jasmines »Kollegen« doch nicht so sehr geholfen hatte, wie angedeutet.
    »Ich glaube nicht, dass Jasmine ganz hier heruntergefahren wäre, wenn es keine neuen Fragen gäbe«, sagte Rita und schaute sie mitleidig, aber nicht überrascht an. Er hatte zwar eine Menge Sonnenschein genossen, war dabei aber sicher keiner geworden.
    »Hab keine Zeit«, erwiderte er. »Ich muss nach Heddon ins Gartencenter, außerdem hat der Häcksler endlich den Geist aufgegeben und ich muss ’nen neuen besorgen.«
    »Dann nehmen Sie Jasmine doch einfach mit. Sie kann Sie während der Fahrt befragen. Da könnten Sie doch zwei Sachen auf einmal erledigen.«
    Es war schwer zu sagen, wem von beiden die Vorstellung weniger gefiel. Der Unterschied bestand vor allem darin, dass Jasmine ihre Bedenken gegen eine Fahrt ins Ungewisse mit Ingrams hinter einer Maske der Dankbarkeit für Ritas hilfreichen Vorschlag verstecken musste. Ingrams hatte dieses Problem nicht und warf Rita einen Blick zu, bei dem andere um Gnade winseln würden.
    Die Tatsache, dass Rita sich davon irgendwie belustigt zeigte, gab Jasmine zu verstehen, dass die beiden ein tiefes Vertrauen verband. Rita hätte ihm den Vorschlag nie gegen seinen offensichtlichen Widerwillen aufgedrängt, und Ingramshätte nicht mit so einem Blick reagiert, wenn sie nicht beide wüssten, dass Rita dagegen immun war.
    Ingrams seufzte, murmelte etwas von Abfahrt in zwei Minuten und stapfte ohne weitere Förmlichkeiten wieder zur Hintertür hinaus.
    Jasmine hatte keinen Grund zu glauben, dass sie Ritas Immunität teilte, aber sie wusste, dass sie keinen Rückzieher machen konnte, ohne zuzugeben, dass sie Angst vor ihm hatte.
    Rita bemerkte ihr

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