Wer schön sein will, muss sterben
schlucken. »Versprochen?«, piepste sie.
Ich blinzelte einmal. Ja.
Die Badezimmertür öffnete sich, und meine Mutter und Joe kamen heraus. Ihre Augen waren rot, aber sie hatte sich das Gesicht gewaschen und selbstverständlich wieder Lippenstift aufgelegt.
»Es tut mir so leid, Schatz«, sagte sie, kam und ergriff meine Hand zum zweiten Mal. Welche Ironie, dass sie mich innerhalb dieser kurzen Zeit öfter berührt hat als in den gesamten letzten Monaten und ich es nicht einmal spüren konnte. Ihre Stimme zitterte. »Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist. Ich … wir … waren so erschrocken. Hatten solche Angst, dass du nicht wieder aufwachen würdest …« Sie brach ab. »Ich konnte mir nicht vorstellen, dich zu verlieren. Und als der Arzt sagte, du wärest okay, als du aufgewacht bist, ich glaube, da bin ich einfach …« Sie schluckte, trocknete sich die Augen mit dem Ärmel. Mit dem Ärmel! »Der Druck entlud sich einfach. Ich habe es nicht so gemeint. Ich weiß, es war ein Unfall, ich weiß, dass du das, was passiert ist, nicht
wirklich
wolltest. Aber so, wie es zwischen uns gewesen ist … Und wie du dich zu einer Party weggeschlichen hast … Das … das war nicht richtig. Es tut mir sehr leid. Du verstehst das, oder?«
Sie begann wieder zu schluchzen, und Joe verschwand im Badezimmer und kam mit einem Kleenex wieder. Sie nahm es mit der Hand, mit der sie meine gehalten hatte, und legte die andere auf seinen Arm.
Ich blinzelte einmal. Das Gute daran, nicht sprechen zu können, war, dass mir erspart blieb, etwas zu sagen, was ich nicht meinte.
Von weiteren Gefühlsausbrüchen wurde ich verschont, denn Loretta klopfte und kam herein. Sie lächelte alle an, bemerkte die Spannung, die in der Luft lag, sofort und sagte: »Die Besuchszeit fängt gleich an und ich glaube die Dame hier könnte ein Bad mit dem Schwamm gebrauchen. Würde der Rest uns wohl entschuldigen?«
Alle gingen gehorsam nacheinander hinaus, sogar Joe. Loretta, entschied ich, war eine Frau, von der man viel lernen konnte.
Sie war nicht groß, aber sie war stark und schaffte es, mich aus dem Bett und in einen Rollstuhl zu hieven. Ich spürte weder den Boden, noch den Stuhl, noch ihre Hände. Aber es fühlte sich nicht so an, als würde ich schweben. Es war furchterregend, ich hatte keinerlei Kontrolle über meinen Körper. Ich fing an, vor Angst zu keuchen, und sie unterbrach ihre Tätigkeit.
»Sieh mich an, Liebes«, befahl sie.
Ich tat es.
»Du wirst wieder gesund werden. Das hier geht vorbei. Du musst dich beruhigen.«
Das hier geht vorbei
, sagte ich mir.
Beruhige dich.
Ich nickte.
»Du wirst sehen. Eh du dich versiehst, wirst du singen und tanzen.«
Meine Atmung beruhigte sich wieder.
»Gutes Mädchen«, sagte sie und stellte sich neben den Stuhl. Sie entfernte die Klemmen für die Monitore von meinen Fingern. »Das meiste davon wirst du nicht mehr lange brauchen«, sagte sie fröhlich. Die Infusion blieb dran, sie hing jetzt an einem Haken rechts von mir. Weitere Schläuche waren auf der linken Seite zusammengelegt. Ich kam mir vor wie ein medizinisches Ausstellungsstück.
Das hier geht vorbei
, wiederholte ich bei mir.
Sie schob mich ins Badezimmer und sagte: »Und jetzt erfreue dich an dieser Fünf-Sterne-Ausstattung.«
Tatsächlich war es gar nicht so schlecht. Der ganze Raum war weiß gekachelt. Auf der einen Seite waren Toilette und Waschbecken mit einem Spiegel darüber. Auf der anderen Seite war die Dusche, die nur durch einen Vorhang vom Rest abgetrennt war. Der Fußboden war im ganzen Bad eben, so dass man sich problemlos mit einem Rollstuhl hin und her bewegen konnte.
Loretta redete, als sie mich vorsichtig auszog. »Wie schön, endlich die berühmte Jane kennenzulernen. Deine Mutter hat permanent an deinem Bett gesessen, seitdem du eingeliefert wurdest. Saß da und sprach die ganze Zeit mit dir. Auch über dich. Wie ich höre, bist du ein tolles Mädchen. Gute Schülerin, tolle Schwester. Beliebt.« Sie zog mir das Krankenhaushemd von den Armen. »Deine Mutter hat immer wieder allen erzählt, wie wichtig es wäre, dass du wieder sehen und deine Arme bewegen kannst. ›Sie muss nur eine Kamera halten und durch den Sucher sehen können‹, sagte sie. ›Sie müssten ihre Fotos sehen. Sie ist eine hervorragende Fotografin.‹«
Wie oft müsste ich wohl blinzeln, um zu sagen »Hör auf zu lügen«?
Loretta setzte mich auf die Bank in der Dusche. Sie drehte das warme Wasser auf, sah sich dann um.
»Jemand
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