Wer schön sein will, muss sterben
hatte. Ich meine, wenn niemand in mein Zimmer hineingegangen oder herausgekommen war, geschweige denn aus dem Badezimmer, musste sie in meinem Kopf gewesen sein, Wunsch oder nicht.
Was bedeutete, dass mich niemand tot sehen wollte. Niemand hasste mich. Ich hatte mir alles eingebildet.
»Deine Mutter wird froh sein, dass du wieder sprechen kannst, egal, wie es dazu gekommen ist.«
Meine Mutter. Sie würde begeistert sein, dass es ein weiteres Zeichen dafür gab, dass ich wieder ganz »normal« werden würde, aber ich war mir ziemlich sicher, dass ihr die Halluzinationen nicht gefallen würden.
»Gibt es irgendeine Möglichkeit, ihr das nicht zu sagen? Ich meine, da es nur etwas war, was ich erfunden habe, und keine wirkliche Drohung? Ich will keine große Sache daraus machen.« Ich räusperte mich. Mein Hals fühlte sich rau an – ich vermutete von dem Tubus zur Beatmung, den die Ärzte gelegt hatten.
»Wie wär’s, wenn ich erst mal nur Dr. Connolly erzähle, was passiert ist, und ihn dann entscheiden lasse, ob er es deinen Eltern erzählt oder nicht?«
»Danke.«
»Jetzt ziehen wir dich erst mal an«, sagte sie und zog geschickt ein neues Krankenhaushemd über meine Arme, diesmal weiß-grün. Sie schob mich vor den Spiegel und kämmte meine Haare.
»Und, wie findest du dich?«
Mein erster Gedanke war:
Wenigstens habe ich noch meine Haare.
David liebte meine Haare. Vielleicht war es das, oder vielleicht weil die Schwellung in meinem Gesicht zurückgegangen war, oder vielleicht weil ich vom letzten Mal darauf vorbereitet war, aber diesmal war ich mehr fasziniert als entsetzt, als ich mein Spiegelbild sah. Die weißen Fliesen rahmten mein Gesicht ein – ein dunkelblaues Auge, Kratzer kreuz und quer über beide Wangen, eine dicke Lippe –, als wäre es auf einem Reißbrett, auf dem gerade eine 3 -D-Figur entworfen wird. Jedoch war es nicht die Figur, die ich selbst entworfen hätte. Diese hier wäre auf jeden Fall eine Art Unterweltbösewicht gewesen.
Aber ich konnte meine Augen erkennen, meine Haare, meine Lippen, mein Lächeln. Ich konnte mir vorstellen, dass alles wieder so werden würde, wie es gewesen war. Ich könnte wieder hübsch sein. Ich sein.
»Und?«
»Die grünen Punkte auf dem Krankenhaushemd bringen das Gelb um mein blaues Auge herum besonders zur Geltung«, versuchte ich zu scherzen.
»Da ist ja der Schalk in deinen schönen Augen, von dem deine Mutter erzählt hat. Sie sagte, du hättest viel Humor.«
»Kannst du mir vielleicht die Wimpern mit dem Mascara meiner Mutter tuschen? Also an dem gesunden Auge. Ich möchte nicht, dass irgendjemand mich so sieht.«
»Ich verspreche dir, alle werden einfach nur froh sein, dass du lebst. Egal, wie du aussiehst, sie werden dich schön finden.«
»Du kennst meine Freunde nicht.«
»Teenager.« Sie schüttelte den Kopf, aber sie durchsuchte die Make-up-Tasche meiner Mutter und fand die Mascara. »Guck nach unten, ich will dir ja nicht ins Auge stechen und noch mehr Schaden anrichten.« Als sie fertig war, sagte sie: »Okay, Kleine. Bist du bereit, deinem Publikum gegenüberzutreten?«
»Ich hab keine andere Wahl, oder?«
»Nein.«
Ich holte tief Luft.
Loretta schob mich aus dem Badezimmer, steckte mich zurück ins Bett und bedeckte die Windel mit einer Decke, bevor sie die Tür zum Flur öffnete. Sie ging hinaus, und Annie kam herein. Allein, wie ich erleichtert feststellte.
Sie begann sofort zu sprechen. »Wir waren in der Cafeteria. Sie machen dort gute heiße Schokolade, aber Joe sagt, von den Zimtrollen sollte man die Finger lassen. Draußen wartet eine Polizeibeamtin, um mit dir zu sprechen. Deine Haare sehen hübsch aus.« Sie brach unvermittelt ab, drehte den Kopf hin und her, als müsste sie unbedingt noch etwas sagen. »Guck mal.« Sie deutete zur Fensterbank, wo ein großer Strauß Rosen aufgetaucht war, neben dem noch etwas lag. »Du hast noch einen Strauß bekommen, und ein Teddybär ist dabei. Süß.« Sie nahm den Bären und hielt ihn mir hin. Er trug ein Muskelshirt, auf dem stand:
Werd schnell wieder gesund!
Ich verzog das Gesicht. »Das ist nicht süß, das ist schrecklich. Sag Mom lieber, von wem es ist, damit sie es mit auf die Liste schreiben kann.«
»Auf der Karte steht:
Von Deinem heimlichen Bewun …
« Sie ließ die Karte fallen und sah mich an. »Du kannst sprechen!«
Sie stieß die Tür auf, umklammerte den Türrahmen und lehnte sich auf den Flur hinaus und schrie: »Mommy, Mommy, Jane kann sprechen!«
Ein
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