Wer schön sein will, muss sterben
war. Ich blickte auf die Uhr und sah, dass es kurz nach zwölf Uhr mittags war. »Nicht dass sie nicht mehr wert wären, aber mehr Bargeld hab ich leider nicht dabei.«
Während sie an mein Bett kam, schob sie ihr Handy in die Außentasche ihrer Miu-Miu-Handtasche, was seltsam war, denn sonst bewahrte sie ihr Handy immer im Innenfach auf. Sie hatte nur Mascara und Lipgloss aufgetragen, trug über dem T-Shirt einen Cardigan, dazu Baggy-Jeans, Leoprint-Ballerinas und eine Schirmmütze, aber sonst keine Accessoires. Dadurch wirkte sie weniger aufgestylt als sonst, so als wäre sie hierher geeilt.
»Alles okay mit dir?«, fragte ich.
Sie blickte mich entgeistert an. »Ob mit mir alles okay ist? Du bist diejenige, um die wir uns Sorgen machen müssen. Das ist typisch für dich, Jelly Bean. Mir geht’s gut.«
»Du lügst. Was ist los?«
Im Nu entglitten ihr die Gesichtszüge. »Es geht um Papo. Er … hatte einen kleinen Rückfall.«
»Oh, Langley, das tut mir so leid.«
Sie wischte sich die Augen, zupfte ein Haar von ihrem Pullover. Schluckte. Er und ihre Großmutter hatten sich immer zusammen um Langley gekümmert, seit sie bei ihnen lebte, aber zwischen Papo und Langley bestand eine besondere Verbindung.
Er startete im Winter jeden Morgen ihr Auto, um dafür zu sorgen, dass die Heizung warme Luft abgab, wenn sie einstieg. Er besuchte all ihre Reitturniere, immer mit einem kleinen Schmuckstück als Geschenk dabei oder etwas anderem, das sie sich insgeheim wünschte. Er steckte ihr heimlich einige Hundert-Dollar-Scheine zu »für den Fall, dass sie ein Mineralwasser« im Shopping-Center brauchte. Er schrieb ihr Briefe, wenn sie an einem Sommerkurs in Schottland teilnahm, und er war derjenige, der an ihrem Bett saß und ihr ›Little Women‹ vorlas, wenn sie eine Erkältung hatte, selbst jetzt noch.
Zumindest hatte er das bis vor kurzem getan. Obwohl der Name Lawrence Archibald Winterman, früherer Präsident von ›New Jersey Gas and Electric‹ und Vorsitzender von einem Dutzend Aufsichtsräten, vielen immer noch höchste Bewunderung abnötigte, ging es mit dem Mann selbst bergab. Vor sechs Monaten war er die Hintertreppe seines Hauses heruntergefallen und hatte sich die Hüfte gebrochen, und es heilte nicht so gut, wie es sollte. Seitdem hatte er trotz der Pflege durch eine Vollzeitschwester eine Infektion nach der anderen gehabt, und jede kostete die ganze Familie viel Kraft.
»Was ist es diesmal?«
»Er hat Schmerzen in der Brust. Der Arzt hat noch einige Untersuchungen durchgeführt, aber wir bekommen die Ergebnisse erst am Dienstag. Ich glaube, es ist wegen meiner Großmutter.«
Langleys Großmutter war überzeugt, dass die Krankenschwestern, die für die Pflege von Papo da waren, stahlen. Deshalb schlich sie ständig hinter ihnen her und installierte Überwachungsgeräte, um sie auf frischer Tat zu ertappen. Alles, was sie mit ihren Vorsichtsmaßnahmen erreicht hatte, war, eine angespannte Atmosphäre zu schaffen und einen ständigen Wechsel von Krankenschwestern, die gingen, weil sie die Bedingungen unerträglich fanden.
»Sie sucht nur etwas zum Kontrollieren«, erklärte Langley mit resigniertem Lächeln. »Sie ist in dieser Hinsicht wie meine Mutter. Immer wenn irgendetwas Störendes passierte, also Dinge, die sie nicht ändern konnte – wie zum Beispiel als die Klimaanlage im Trailer kaputtging –, nahm sie es mit etwas anderem ganz genau. Sie setzte uns beide auf irgendeine verrückte Diät oder mäkelte die ganze Zeit an meiner angeblich so schlechten Haltung herum.«
Es fiel schwer, sich Langley nicht als ein verwöhntes Ostküstenmädchen vorzustellen, das in einem Palast wohnte. Aber tatsächlich hatte sie die ersten elf Jahre ihres Lebens in einem Trailer außerhalb von Tucson, Arizona gelebt.
Einmal, als ich Langley fragte, wie es war, sagte sie: »Im Trailer war es total gemütlich, es war wie in einem Puppenhaus.«
»Maman kaufte ungefähr tausend Stofftiere, als wir erfuhren, dass Langley zu uns kommen würde«, erzählte uns ihr Großvater eines Tages, als wir drei in seinem Arbeitszimmer Tee tranken. »Und in der ersten Nacht benutzte Langley sie alle – den riesigen Hirsch, die Giraffe, den Löwen –, um ein Zelt zu bauen, indem sie ein Laken über sie hängte, damit sie es gemütlich hatte, denn ihr war ihr neues Zimmer zu groß. So ist mein Mädchen.« Er drückte ihre Hand und blickte sie mit so viel Stolz an, dass ich ganz neidisch wurde. »Das ist mein einfallsreiches,
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