Wer schön sein will, muss sterben
Und was dann?«
»Dann kam er«, – ich zeigte auf den Jungen, der jetzt lässig an der Wand lehnte und belustigt aussah –, »herein. Das ist übrigens nicht lustig.«
»Ich lache nicht über dich. Ich lache über den Bären.« Er deutete auf die Fensterbank. »Er ist … scheußlich.«
Loretta war einen Moment hinausgegangen, kam jetzt aber wieder herein. »Das ist übrigens Pete«, sagte sie. »Er hilft hier freiwillig.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob freiwillig das richtige Wort ist.« Er stieß sich von der Wand ab, kam aufs Bett zu und hielt mir das Paket hin. »Ich soll das hier abgeben.«
Es war in Papier eingewickelt, das mit Schriftzug
Achtung, Angriff!
bedruckt war.
»Ich will kein dämliches Paket. Hört ihr mir zu? Jemand hat angerufen und gedroht, mich zu töten.« Ich betonte jedes Wort. »Wir müssen es der Polizei sagen. Diesmal habe ich nicht halluziniert, Loretta. Es hat wirklich jemand angerufen.«
»Es ist schon ein Beamter auf dem Weg, zusammen mit …«
Im Flur war plötzlich Lärm, und meine Mutter kam zusammen mit Officer Rowley herein. Aber nicht eilig. Mehr als würden sie einen Spaziergang machen.
Ich erzählte ihnen, was passiert war, und sie benahmen sich, als hätte ich gerade eine interessante, aber nicht besonders wichtige Tatsache mitgeteilt.
»Hört ihr zu? Jemand bedroht mein Leben.«
Officer Rowley hatte zumindest die Freundlichkeit, ihr Notizbuch hervorzuholen. »Erzählen Sie mir noch einmal von dem Anruf. Haben Sie die Stimme erkannt?«
»Nein, es klang so, als wäre sie verstellt.«
»Könnten Sie sagen, ob es ein Mann oder eine …«
»Nein, wie ich schon sagte, sie klang verstellt. Als käme sie aus einem Stimmenverzerrer.«
»Wie war die Klangqualität? Könnten Sie sagen, ob der Anruf von einem Handy oder vom Festnetz kam?«
»Ein Handy, glaube ich. Können Sie den Anruf zurückverfolgen?«
Sie tippte auf das Krankenhaustelefon an meinem Bett. »In einem hauseigenen Telefonnetz wie diesem ist es fast unmöglich, den Anruf zurückzuverfolgen, es sei denn, derjenige würde noch mal anrufen. Am besten mehr als einmal. Wenn er auf Ihrem Handy angerufen hätte …«
»Mit anderen Worten, nein.«
»Das stimmt. Aber in neun von zehn Fällen stellt sich heraus, dass diese Art von Anrufen schlechte Scherze sind.«
»Du siehst, Liebling«, sagte meine Mutter und lächelte fröhlich, »kein Grund, sich Sorgen zu machen.«
Ich starrte meine Mutter an. Was war nur los mit ihr? Ich wusste, sie irrte sich nicht gerne. Und wenn es meinen Anrufer wirklich gab, bedeutete dass, dass ich kein Opfer von 10 – 57 war, begangen von den Einbrechern eines Supermarkts in ihrem Fluchtfahrzeug. Aber dieses krasse Leugnen war extrem, sogar für ihre Verhältnisse.
»Bist du verrückt?«
»Nein. Ich vertraue nur darauf, dass die Polizei weiß, was sie tut. Falls dich jemand angerufen hat, war es wahrscheinlich nur jemand, der Beachtung sucht.«
»Falls?«
, wiederholte ich. »Du glaubst nicht, dass es einen Telefonanruf gegeben hat?« Ich blickte mich verzweifelt im Zimmer um. Ich hatte wieder das flaue Gefühl in der Magengrube. »Keiner von euch glaubt, dass ich wirklich einen Anruf erhalten habe. Aber es war so.«
Sie lächelte mich an, ein Lächeln, das freundlich sein sollte, da war ich mir sicher, aber es kam mir vor, als würde sie sich über mich lustig machen. »So oder so, es spielt keine Rolle, Liebling.«
»Doch, das tut es.« Tränen der Enttäuschung standen in meinen Augen. »Ich hab mir das nicht ausgedacht.«
»Niemand sagt, dass du dir irgendetwas ausgedacht hast. Es besteht nur die Möglichkeit, dass nicht alles, was du gerade erlebst, real ist.«
Ich lachte bitter. »Sehr scharfsinnig, Mutter. Ich hab dich noch nie besser lügen hören.«
»Sei nicht sarkastisch, Jane.«
Wann ist aus ihr dieser Roboter geworden? Was ist aus der Mom geworden, die sie früher war? Die im Park neben mir lief, als ich zum ersten Mal versuchte, einen Drachen steigen zu lassen. Die Haare wehten ihr ums Gesicht und sie sagte: »Du schaffst es, so geht’s, lauf weiter, lauf, gib nicht auf!« Die neben mir stand, als ich den Drachen endlich in der Luft hatte, die Arme um meine Schultern gelegt, und zusah. Es war ein Fisch mit einem langen rosa-blauen Schwanz, der sich am wolkigen Himmel drehte und Schleifen malte. Ich sah zu ihr auf. Ihre Haare waren unordentlich, ihre Wangen gerötet und sie hatte Schmutzflecken im Gesicht. Für mich war sie die schönste Frau der
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