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Wer schön sein will, muss sterben

Wer schön sein will, muss sterben

Titel: Wer schön sein will, muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Jaffe
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entgegenkommender – erwischt!« Der Rollstuhl stieß gegen die Wand und er setzte mich hinein, klemmte dabei den Arm hinter mir ein.
    Dadurch kamen unsere Nasen sich ganz nah. Wir sahen uns in der Stellung an, es ließ sich kaum verhindern, dass unsere Blicke miteinander verschmolzen.
    Er lächelte. Dabei bildeten sich um seine Augen herum süße Falten, und ich bemerkte zum ersten Mal, dass er Grübchen hatte.
    Er hatte einen leichten Bart und wirklich hübsche Zähne, seine Lippen sahen weich und glatt aus, wie die eines Filmstars.
    Er legte seine freie Hand an meinen Hinterkopf. Mein Herz begann zu pochen. Er würde mich küssen. Er würde mich küssen, und ich wollte es. Ich wollte es wirklich.
    Ich wollte seinen Mund auf meinem spüren, seine Bartstoppeln an meinem Hals, spüren, wie seine Zunge meine Lippen öffnete. Dieser Typ mit dem lächerlichen T-Shirt und der direkten Art, ich wollte, dass er mich wollte, dass ich ihm gefiel. Denn er gefiel mir. Er beugte sich noch weiter zu mir, zog meinen Kopf näher an seinen. Mein Herz raste. Ich schloss die Augen und fühlte …
    … wie er seinen Arm hinter mir hervorzog. Ich öffnete die Augen.
    »Tut mir leid, ich glaube, ich brauche etwas Übung«, sagte er und trat einen Schritt zurück. Als ich nicht antwortete, beugte er sich zu mir herunter. »Bist du okay? Ich hab dir nicht wehgetan, oder?«
    Ich schluckte.
Nicht enttäuscht sein
, sagte ich mir. »Nein, mir geht’s gut. Nur ein bisschen schwindelig.« Vielleicht war ich verrückt! Ich hatte einen Freund, den ich liebte. Ich sollte mich nicht irgendwelchen Phantasien von anderen Jungs hingeben.
    »Gut. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ein freiwilliger Helfer, der den Patienten noch mehr Verletzungen zufügt, nicht als große Hilfe betrachtet werden würde.« Er schob mich ins Badezimmer.
    »Was hast du gemeint, als du gesagt hast, dass du eigentlich nicht freiwillig hier bist?«
    Er bugsierte mich über die Türschwelle des Badezimmers. »Mein Vater will, dass ich das mache. Es ist eine Strafmaßnahme.«
    »Wofür?«
    »Er bewahrt mich davor, dass ich das College abbreche und aus mir krimineller Abschaum wird.« Ich beobachtete sein Gesicht im Spiegel vor mir und sah so etwas wie einen Anflug von Enttäuschung darüber huschen. Er verschwand wieder und Pete zwinkerte mir zu. »Ich hab dir gesagt, ich bin gefährlich. Alles okay hier für dich? Hast du alles, was du brauchst?«
    »Ja.«
    »Ich warte draußen. Wenn du rauskommen willst, klopf einfach.«
    »Danke.«
    Er lächelte und tätschelte mir den Kopf. »Lass dich nicht von ihnen verleiten, an dir selbst zu zweifeln. Auch die größten Visionäre der Geschichte wurden mal für verrückt erklärt.«
    Die Tür schloss sich hinter ihm, und ich blieb zurück. Ich starrte mich im Spiegel an.
    Ich wusste, dass ich es war, aber es fühlte sich nicht so an. Die Schwellung war stark zurückgegangen und die Gesichtskonturen größtenteils zurückgekehrt, aber es kam mir immer noch so vor, als sähe ich mich zum ersten Mal. Waren das meine Augen? War das meine Nase? Waren das meine Lippen? Ich beugte mich über das Waschbecken und legte meine Hände auf das kühle Spiegelglas und bedeckte die Teile, die noch geschwollen waren, mit meinen Handflächen, um zu sehen, ob es einen Unterschied machte.
    Eine Fremde blickte zurück. Eine Fremde mit einem blauen Auge und einer geschwollenen Lippe. Und jetzt, als ich mich daran erinnerte, dass ich gedacht hatte, Pete würde mich küssen, sah ich eine Fremde, die ganz schön rot wurde. Hatte ich den Verstand verloren?
    Aber ja, ja, das hatte ich. Alle anderen dachten das. Und hier war ein weiterer Beweis.
    Ich begann zu lachen, aber das Lachen war nicht normal. Es kam mir vor, als wäre es außer Kontrolle, als wäre ich hysterisch. Ich verlor den Verstand, drehte durch, wurde verrückt. Ich hätte schwören können, dass der Anruf tatsächlich stattgefunden hatte, ich hätte schwören können, dass wirklich etwas auf den Spiegel geschrieben war. Und ich dachte, dass Pete mich mochte.
    Ich dachte, dass meine Mutter mich liebte. Sie hatte mich einmal geliebt, früher.
    Am Tag der Beerdigung meines Vaters hatte ich auf ihrem Bettrand gesessen – dem Bett meiner Eltern – und beobachtet, wie sie sich fertig machte. Sie sah wunderschön aus in ihrem schwarzen Anzug. Perfekt und makellos und gefasst. Wenn ich groß sein würde, wollte ich auch so aussehen.
    Sie griff nach der Perlenkette, die ihr mein Vater zu ihrem letzten

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