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Wer schön sein will, muss sterben

Wer schön sein will, muss sterben

Titel: Wer schön sein will, muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Jaffe
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Ihre Augen blitzten, und ihr Gesicht war angespannt. »Ich meine, ich wollte nicht, dass irgendjemand mich so sieht?«
    Ihr veränderter Tonfall überraschte mich. »Ich hab dir doch gesagt, ich bin ein Niemand«, versuchte ich, einen Witz zu machen.
    Blitzartig verwandelte sich ihre Härte in Verwirrung. Sie blickte mich nicht mehr im Spiegel an, sondern drehte sich um und sah mir mit gerunzelter Stirn direkt ins Gesicht. »Warum bist du so nett zu mir?«
    »Weil du traurig bist?«
    Sie wandte sich wieder zum Spiegel. »Du meinst schwach.« Sie griff nach einem Papiertuch und begann, die Tränen auf ihren Wangen zu trocknen. Eigentlich war es eher so, als versuchte sie, sie auszuradieren.
    »Nein, wohl eher traurig.«
    Sie rieb weiter und wich meinen Blicken aus. »Egal, jedenfalls danke?«
    »Wofür? Ich bin sicher, du hättest dasselbe für mich getan.«
    Sie warf das Papiertuch in den Mülleimer und prüfte ihr Spiegelbild genau. Sie hatte vielleicht perfekt symmetrische Gesichtszüge und war eine Modelschönheit, aber als sie sich selbst betrachtete, hatte sie einen Gesichtsausdruck, als würde sie auf Abfall blicken.
    »Ganz ehrlich, wahrscheinlich nicht?« Jetzt lächelte sie, aber betrübt. Als sie wieder sprach, verfiel sie in einen gedehnten Südstaatenakzent, harsch und abgehackt: »Ich bin eine verwöhnte Zicke, die ein perfektes Leben hat, aber dafür nicht mal dankbar ist und nur an sich selbst denkt. Zumindest würde mein Vater es so ausdrücken.«
    Es war das erste Mal, dass ich mit Kates erstaunlicher Fähigkeit, andere nachzuahmen, Bekanntschaft machte, und es war beunruhigend. Gefangen zwischen meiner Irritation und der Wut, die in ihren Worten lag, wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Ich weiß nicht, wie lange ich noch so dumm dagestanden und nervös an meinen kurzen, dunklen Ponyfransen genestelt hätte, wenn nicht plötzlich die Toilettentür aufgestoßen worden wäre.
    Ein blondes Mädchen platzte mit der Selbstsicherheit derjenigen herein, die immer beliebt gewesen war. Mit engen Shorts aus einer Art Spitze-auf-Brokat-Stoff, einem Pullover mit Rüschen, Plateauschuhen und den dichten hellblonden Haaren, die mit zwei Satinschleifen zu zwei tiefen Zöpfen gebunden waren, sah sie eher aus, als wollte sie auf den Laufsteg als ins Klassenzimmer. Sie sah mich nicht einmal an, stürzte nur zu Kate, legte die Hand mütterlich auf ihre Wange und sagte: »Bist du okay, Kit Kat?«
    Die Kate, die sich ihrer Freundin zuwandte, hatte nichts mit dem aufgelösten Mädchen zu tun, das ich gerade erlebt hatte. Sie lächelte, als wäre sie amüsiert über die Sorge der anderen und sagte: »Ja, Mutter Langley, mir geht’s gut. Ich hatte nur Krämpfe.«
    Das Mädchen namens Langley lehnte sich zurück und stemmte die Hände in die Hüften. »Willst du Pommes dazu?«
    Kate runzelte die Stirn. »Pommes wozu?«
    »Dem Whopper, den du gerade bestellt hast.«
    Kate machte große Augen und sah überrascht aus. Ich konnte mir nicht helfen, ich begann zu lachen. Langley sah mich an. »Mir gefällt ein dankbares Publikum. Wer bist du?«
    »Das ist Jane«, sagte Kate zu ihr. »Sie ist neu hier? Sie hat mir was gegen die Schmerzen gegeben.« Sie zwinkerte mir zu.
    Langley legte den Kopf auf eine Seite und sah mich einen Moment prüfend an, als wäre ich ein Präparat auf dem Objektträger, das sie genauestens untersuchen müsste. Dann nickte sie, als wäre sie zu einem Ergebnis gekommen. »Ganz ehrlich: Du bist süß, aber die Ponyfransen sind ein bisschen zu extrem. Echt jetzt, hast du das selbst gemacht?«
    Ich nickte. »Mein Freund zu Hause, da wo ich herkomme, hat mit mir Schluss gemacht.« Ich konnte nicht glauben, dass ich das zugegeben hatte. Wie mitleiderregend sah ich wohl aus?
    Sie kam rüber und versuchte, die Ponyfransen auf eine Seite zu schieben. »Ja, das geht echt gar nicht. Aber deine Strumpfhose, die ist cool.« Sie trat zurück und sah mich noch einmal abschätzend an. »Hat einer von euch einen Stift?«
    Ich fischte einen aus meiner Tasche und gab ihn ihr. Sie stieß ihn sofort in ihre schwarze Spitzenstrumpfhose und begann sie zu zerreißen.
    Ich war geschockt. »Was machst du denn da?«
    »Einer für alle …«, sagte Langley.
    »… und alle für einen«, beendete Kate und lächelte ihre Freundin, nicht mich, an. Es war, als würden sie eine geheime Botschaft austauschen.
    Eine Botschaft, die ich erst ein wenig später verstand. Nachdem Langley eine zweite Laufmasche in ihre Strumpfhose gerissen

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