Wer schön sein will, muss sterben
beobachten mich, lachen mich aus.
Hassen mich.
»Auf Wiedersehen, Jane«, sagt eine Stimme.
Ich muss hier raus.
Ich zwinge mich, aufzustehen. Meine Handflächen kribbeln, spüren die Brokattapete, als ich mich an die Wand klammere, um nicht zu schwanken. Ich bin im Flur, und der orientalische Teppich gleitet unter meinen Füßen auf und ab wie eine Schlange, so dass meine Knöchel bei jedem Schritt zittern.
Geh weiter! Sage ich mir.
Hinter mir höre ich Leute reden, lachen. Jemand sagt meinen Namen.
»Halt an, Jane!«
Ich schüttelte den Kopf, um die Erinnerung loszuwerden, aber das Gefühl, verfolgt – und beobachtet – zu werden, blieb. Die Augen waren mir so vertraut. Ich kannte sie, konnte sie aber nicht zuordnen.
In meinem Kopf hallten Tausende von Stimmen, immer von einer zur nächsten wechselnd, wie ein Radio, bei dem der Empfang gestört war. Elsa: »Sie belauschen dich. Sie wissen, ob du böse oder brav bist, also sei um Himmels willen brav.« Annie: »Ollie hat all dieses Spielzeug, das du benutzen kannst, um die Gespräche anderer Leute zu hören.« Officer Rowley: »Sie haben einen großzügigen Freund.« Ich: »Sie sind nicht von meinem Freund, sie sind von …« Elsa: »Sie hören zu.«
Der Rollstuhl stand neben meinem Bett. Wenn ich selbst hineinkäme, könnte ich damit vielleicht bis zum Fenster gelangen, um …
Loretta erwischte mich, als ich beinahe auf den Boden gefallen wäre. »Schätzchen, was machst du da?«
»Ich muss zu den Blumen.«
»Welche Blumen?«
»Der große Strauß. Ich habe … ich muss in den großen Blumenstrauß gucken. Es machte keinen Sinn, dass er mir so einen großen Blumenstrauß schickt, aber jetzt verstehe ich es.«
»Okay, du bleibst im Bett sitzen, und ich bringe ihn dir.«
Sie nahm ihn und trug ihn zum Tisch neben meinem Bett. »Sie sind wunder… was machst du?«
»Hallo!«, sagte ich in den Blumenstrauß. »Hörst du mich?«
»Schätzchen.« Loretta näherte sich mir von der Seite.
»Ich hoffe, du hörst zu, denn ich will, dass du das hier hörst, du Scheißkerl.« Ich hielt die Vase seitlich aus dem Bett und ließ sie auf den Fußboden fallen. Sie schlug herrlich klatschend auf und zerschellte, der Fußboden wurde mit Wasser überflutet und Blumen und Glasscherben lagen überall verteilt.
»Bist du jetzt glücklich?«, schrie ich in das Chaos und begann zu lachen. »Ich bin es!«
Loretta sah mich entsetzt an. Sie legte eine Hand auf meine Brust, drückte mich ins Bett und drückte eine Taste des Telefons. »Ich brauche Dr. Tan hier oben, sofort.«
Ich starrte sie an. »Was machst du? Da war eine Wanze drin. Ich bin nur die Wanze losgeworden.« Ich kicherte immer noch ein bisschen. »Gott, das tat gut.«
»Schhh. Gleich ist alles wieder gut. Du bleibst ganz ruhig.«
»Nein, mir geht’s gut. Ich hab mich darum gekümmert. Mir geht’s jetzt besser.«
»Ruhig, Schätzchen. Es wird alles gut werden.«
Ihr Tonfall, ihr Gesichtsausdruck machten mir klar, wie das, was ich gerade getan hatte, ausgesehen haben musste. Zuerst hatte ich in einen Blumenstrauß gesprochen, als könnten die Blumen mich hören. Dann hatte ich ihn samt Vase zerstört.
Es musste total wahnsinnig ausgesehen haben.
O Gott. O nein. »Ich bin nicht verrückt, Loretta.« Das Adrenalin, das die Erregung bei mir freigesetzt hatte, ließ nach und ich begann zu zittern. »Wirklich nicht.«
»Schhh. Es ist okay, Liebes.«
»Seine Familie wird überwacht.« Es wurde schwer, genug Luft zu bekommen. War ich verrückt? Alle dachten, ich sei verrückt. »Es ergibt Sinn«, versicherte ich ihr. »Ich kann es erklären. Es ergibt alles einen Sinn.«
»Atme, Schätzchen.« Loretta schob eine Sauerstoffmaske über meinen Mund. »Einfach nur atmen.«
»Wirklich«, meine Worte klangen gedämpft. »ich bin nicht verrückt.«
Als Dr. Tan hereinkam, atmete ich wieder normal. »Da hatten Sie ja vielleicht einen Tag, Miss Freeman.«
Loretta hatte Pete geschickt, um sauber zu machen. In der Vase war, soweit ich sehen konnte, keine Wanze gewesen. »Willst du, dass ich gehe?«, fragte er mich, als er mir die Sauerstoffmaske abnahm.
Ich zuckte mit den Schultern. »Ist mir egal.«
Dr. Tan setzte sich in den Stuhl neben meinem Bett. »Erzählen Sie mir, was gerade passiert ist.«
Ich erzählte ihm von Elsas Anruf, der darauf hindeutete, dass jemand mich beobachtete, und was Annie vorher über Ollies Abhörspielzeug gesagt hatte. Er nickte und machte sich ein paar Notizen.
»Und was haben Sie
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