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Wer Schuld War

Titel: Wer Schuld War Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Bernuth
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Tote, wie Paul oder sein Vater, sich mit ihrer plötzlichen Absenz nicht abfinden wollen, sich quasi mit Gewalt in die Köpfe
     der Lebenden drängen, um wenigstens nicht vergessen zu werden, wenn sie sonst schon keine Rolle mehr spielen dürfen.
    Also sieht er sich und Barbara auf einer hitzeglühenden griechischen Insel, zusammen mit Paul und einer arbeitslosen blonden
     Schauspielerin namens Sabine, mit der sichPaul abgab, bevor Sabine ihn verließ, um einen T V-Regisseur zu heiraten. Paul, Barbara, Sabine, damals noch eine Schauspielerin ohne Engagement, und Manuel, damals noch als Architekt
     in Lohn und Brot, saßen in einem winzigen Corsa auf dem Weg nach Oia, einer schneeweißen Stadt, die romantisch an einen Felsen
     geschmiegt war, wo Paul unbedingt den Sonnenuntergang genießen wollte. Barbara und Manuel hatten ihm versichert, dass ihrer
     Erfahrung nach der kleine Platz weit oben über der Bucht überlaufen sein werde, und Sabines herabgezogene Mundwinkel hatten
     deutlich gezeigt, was sie von dieser spontanen Idee hielt, da doch ausgerechnet heute in ihrem All-Inclusive-Hotel der allwöchentliche
     Grillabend angekündigt worden war.
    Schließlich hatten sie sich auch noch verfahren, landeten nicht auf der Straße auf dem Felsenkamm von Fira nach Oia, sondern
     auf einer kurvenreichen Route unten am Meer, ein Riesenumweg, wie Manuel sofort erkannte, während Paul am Steuer unbelehrbar
     wie ein Kind von einer Abkürzung faselte, und dann die rechte Hand vom Lenkrad nahm und Sabine auf das gebräunte Knie legte.
     Die schob die Hand mit einer brüsken Bewegung weg, woraufhin Paul sie wieder hinlegte, aber Sabine sie wieder wegschob. Schließlich
     kam es beinahe zu einem Kampf, der wahrscheinlich nur deshalb nicht ausartete, weil Sabine die Anwesenheit von Manuel und
     Barbara bewusst wurde und schließlich Paul gewähren ließ, während sie mit genervtem Ausdruck aus dem Fenster sah, ihr kleines,
     mageres Profil verschlossen wie eine Auster. Natürlich kamen sie zu allem Überfluss auch noch fast zu spät, fanden keinen
     Parkplatz, mussten schließlich im Laufschritt durch die schmalen Gassen sprinten, während sich die niedrigen kubischen Häuser
     bereits orange verfärbt hatten und sich Sabine in ihren Stiletto-Sandalen beinahe denFuß verknackste. Der Platz vor dem kleinen Café war so überfüllt gewesen, dass man fast nichts sehen konnte von dem Spektakel.
    Aber Paul hatte seinen Willen bekommen, wie immer übrigens in diesem Urlaub, auch wenn das niemandem außer Manuel aufzufallen
     schien. Und obwohl sie zum Grillabend zu spät kamen, wo am geplünderten Buffet nur noch ein paar erkaltete, rötlich glänzende
     Bratwürste zu haben waren, und Sabine wahrscheinlich schon bei diesem deprimierenden Anblick die spätere Trennung beschlossen
     hatte, redete Paul den ganzen restlichen Abend aus
reinem Trotz
, wie Manuel verärgert feststellte, von dem unvergesslichen Erlebnis einer feuerroten Sonne, die sich im Meer ertränkte, mit
     den schwarzen Umrissen der Felseninseln im Vordergrund und dem Anblick eines hell erleuchteten Kreuzfahrtschiffes, das der
     Nacht entgegenfuhr. Und wieder einmal hatte sich Manuel gefragt, wie ein Mensch, der sich nichts sagen ließ und bei den unpassendsten
     Gelegenheiten krächzend lachte wie ein pubertierender Jugendlicher, wie ein so
würdeloser
Charakter wie Paul als professioneller Helfer auf die Menschheit losgelassen werden konnte. Darauf hatte Barbara später einmal
     geantwortet, dass Therapeuten bei der Gestaltung ihres eigenen Lebens oft versagten, und dass das nichts über deren Kompetenz
     aussagte. Ein Argument, das ihn in seiner Undurchdachtheit furchtbar aufregte und dazu brachte, wieder einmal heftiger zu
     reagieren, als gut war.
    Das ist doch Blödsinn, Barb! Ich bitte dich!
    Sie lagen im Bett, das Licht war ausgeschaltet, um keine Mücken anzulocken, die Laken waren feucht von ihrem Schweiß, die
     altmodische, nicht regulierbare Klimaanlage brummte und surrte über ihren Köpfen, während sie stritten, statt zu schlafen,
     eine typische Situation, weil BarbaraDinge nicht auf sich beruhen lassen konnte, ihr immer irgendwelche Gegenargumente einfielen, während er sich manchmal einfach
     nur jemanden wünschte, der ihm ohne Wenn und Aber zustimmte.
    Okay, Manu, wie du willst.
    Was soll das denn wieder heißen?
    Du hast deine Meinung, ich meine.
    Du findest also nicht   …
    Nein.
    Du findest nicht, dass ein Mann, der sich anmaßt, anderen zu

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