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Wer Schuld War

Titel: Wer Schuld War Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Bernuth
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zu seiner Clique, denn es hätte komisch ausgesehen, wenn er es nicht getan hätte. Es sind die
     Outlaws der Klasse, die, die sich nichts sagen lassen. Sie sehen absolut cool aus, und nicht einmal die Lehrer trauen sich,
     ihnen etwas am Zeug zu flicken. Sie können Stunden damit verbringen, sich gegenseitig ihre neuesten iPhones, iPads und sonst
     was vorzuführen. Es ist nicht ganz klar, was ausgerechnet Philipp bei ihnen verloren hat, denn selbstverständlich besitzt
     er kein iPhone und wird in absehbarer Zeit auch keines besitzen, und ausgerechnet ihn haben sie ausgewählt, um mit ihnen gemeinsam
     abzuhängen, so ein Angebot lehnt man nicht ab, schon gar nicht in seiner Situation.
    Warum wollen sie ihn dabeihaben, ausgerechnet ihn? Manchmal mutmaßt Philipp, dass sie Mitleid haben oder er für sie der Freak
     ist, über den sie ablachen können, wenn er nicht dabei ist, oder der Exot, den man interessant findet, mehr aber auch nicht,
     oder etwas ganz anderes, auf das er jetzt nicht kommt, das aber mit echter Zuneigung genauso wenig zu tun hat wie der Rest.
     Das zumindest weiß er genau, dafür ist er ihnen bei allem kumpelhaftem Getue zu fremd geblieben, versteht zu wenig von ihren
     Codes, den Andeutungen und genuschelten Halbsätzen, verbunden mit beziehungsreichem Grinsen und auskennenden Rippenstößen,
     die man jemandem gibt, der einen guten Witz gemacht hat.
    Sie stehen wie immer in der rechten hinteren Ecke des Pausenhofs, zu fünft, nur Philipp fehlt noch. Er bewegtsich langsam und lässig auf sie zu, denn man darf sie nicht merken lassen, dass man nervös ist, sie reagieren wie aggressive
     Hunde auf jedes Zeichen von Unsicherheit, werden zum zähnefletschenden Rudel, treiben, fünf gegen einen, ihr Opfer vor sich
     her, schnappen zu, bis Blut fließt. Jedenfalls so gut wie.
    Bislang ist Philipp noch nie Opfer gewesen, und das darf auch nie passieren, denn einmal wäre schon einmal zu viel. Einmal
     Schwäche zeigen heißt, er würde ihren
Respekt
verlieren, für immer, und dann würde ihm nichts anderes mehr übrig bleiben, als die Schule zu wechseln, denn ein Weg zurück
     in die Unauffälligkeit wäre dann nicht mehr möglich. Er muss mitspielen, solange sie es wollen, und unwillkürlich strafft
     er seine Schultern, als Steve ihm zuwinkt. Aus dem Winken wird ein kräftiges Schulterklopfen, als Philipp die Gruppe erreicht,
     dann nimmt ihn Ben in den Schwitzkasten, und dann tun auch die anderen so, als hätten sie Philipp drei Jahre nicht gesehen,
     dabei vollführen sie dieses Ritual in jeder großen Pause, und zwar immer bei dem, der zuletzt erscheint. Das soll ein Zeichen
     dafür sein, dass sie zusammengehören.
    Sie reden davon, am Nachmittag schwimmen zu gehen. Schwimmengehen ist eine Tarnbezeichung für diverse Aktionen, diesmal geht
     es wieder einmal darum, Autos aufzubrechen, eine Tätigkeit, in der sie mittlerweile recht geübt sind. Da sie sich auf Wagen
     beschränken, die außerhalb ihrer eigenen Wohnbereiche liegen, ist noch keiner von ihnen jemals unter Verdacht geraten.
    Es geht sowieso nicht darum, große Gewinne abzugreifen. Einer von ihnen, Ben, hat über irgendwelche Kanäle Kontakt zu einem
     Hehler, und der nimmt ihnen den Kleinkram, den sie gern als heiße Ware bezeichnen, zu Dumpingpreisen ab, aber darum geht es,
     wie gesagt, ja gar nicht, sondern um den Spaß, den Adrenalinkick, wie Steve sichauszudrücken pflegt, um das, was man als Erwachsener nicht mehr tun kann, außer – sagt Steve mit seinem überheblichen Grinsen
     – als Schreibtischtäter.
    Im sehr viel größeren finanziellen Rahmen
,
wenn du verstehst, was ich meine.
    Danke, Alter. Ich komme gerade so mit.
    Problem Nummer eins ist, dass Philipp heute nicht teilnehmen kann, und Problem Nummer zwei ist, dass der wahre Grund dafür
     keinesfalls präsentabel ist. Es kommt jetzt also darauf an, ihnen
nicht
zu erzählen, dass seine Mutter ausgerechnet heute einen Ausflug in die Berge mit ihm geplant und er in einer schwachen Minute
     zugestimmt hat, obwohl man das in seinem Alter eigentlich nicht mehr tut. Unternehmungen mit Müttern sind uncool. Deshalb
     behauptet er stattdessen, dass ihm sein Vater neue Skates schenken will, und er diesen spendablen Schub unbedingt nutzen muss,
wenn ihr versteht, was ich meine
.
    Sie gehen nicht darauf ein, machen misstrauische Gesichter und ein paar dumme Bemerkungen wie immer, wenn man ihnen einen
     Korb gibt, aber Philipp lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, nicht,

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