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Wer Schuld War

Titel: Wer Schuld War Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Bernuth
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jetzt mit oder nicht?«
    »Nein.«
    »Komm schon. Nur fünf Minuten.«
    »Ich hab keine Lust.«
    »Bitte. Tu mir den Gefallen.«
    »Ich geh schon mal nach Hause.«
    »Bitte. Wenn du dabei bist   …«
    Langsam dämmert es ihm, schließlich kennt er seine Mutter ein Leben lang, und kann ihre Gedanken lesen. Wenn er dabei ist,
     muss Paul sich zusammennehmen, kannsie nicht weiter bedrängen, damit sie ihren Entschluss zurücknimmt.
    »Ich will nicht«, sagt er. Aber im selben Moment fällt ihm ein, dass es einen guten Grund gibt, Paul nicht mit seiner Mutter
     allein zu lassen, also tut er so, als gäbe er widerwillig nach und steigt aus dem Auto. Die Haustür ist wie immer nur angelehnt,
     und gemeinsam steigen sie die frisch gebohnerte Holztreppe mit den knarzenden Stufen in den vierten Stock hoch. Paul lebt
     in einem unrenovierten Altbau ohne Lift, dafür ist seine Wohnung riesig, viel größer als das Loch, in dem Philipp und seine
     Mutter wohnen. Unter anderem deshalb hat er eine Zeit lang gehofft, dass die Beziehung zwischen Paul und seiner Mutter halten
     würde, sodass Paul sie und Philipp eines Tages bitten würde, bei ihm einzuziehen. Aber natürlich ist es nie so weit gekommen.
    Seine Mutter klingelt an der Tür. Sie keucht ein wenig, als wäre sie außer Atem, aber Philipp spürt genau, dass sie sich vor
     dieser Situation fürchtet.
    So wie er auch.
    Philipps Blick fällt auf das unleserliche, handgeschriebene Klingelschild der Wohnung nebenan. Pauls bisheriger Nachbar, ein
     unangenehm riechender, alter Mann namens Schmitz scheint ausgezogen zu sein.
    Innen rührt sich nichts. Seine Mutter sieht auf die Uhr und horcht an der Tür. »Wir hatten uns ab sechs verabredet. Jetzt
     ist es halb sieben. Ich verstehe das nicht.«
    »Ist doch ganz einfach, mach die Tür auf, und leg den Schlüssel rein, und dann gehen wir«, sagt Philipp.
    Sie zieht den Schlüssel aus der Hosentasche und betrachtet ihn unschlüssig.
    »Mach doch auf«, drängt Philipp.
    Sie schließt die Tür auf.
    Drinnen riecht es muffig nach etwas Undefinierbarem.
    »Paul?«, ruft seine Mutter, und im selben Moment spürt Philipp, dass etwas nicht stimmt, er ahnt eine Anwesenheit, die keine
     ist, und unwillkürlich macht er ein, zwei Schritte zurück ins Treppenhaus. Aber da hört er bereits den Schrei seiner Mutter,
     der ihm die Nackenhaare aufstellt, und er weiß, dass er jetzt nicht mehr herauskommt aus der Sache, nicht mehr heil jedenfalls,
     so viel ist sicher.
     
    Er geht in die Wohnung und macht die Tür sorgfältig hinter sich zu.
    Er sieht in den einzelnen Zimmern nach und findet seine Mutter in der Küche, wo sie mit hektischen Bewegungen versucht, Paul
     wiederzubeleben. Paul, der nicht mehr aussieht wie Paul, sondern wie jemand absolut Fremdes mit einem Gesicht aus Wachs, irgendein
     Mann, der schwer und leblos auf den schwarz-weißen Küchenfliesen liegt, auf dem Rücken mit leicht gespreizten Beinen, als
     hätte ihm jemand die Füße weggezogen.
    »Scheiße«, sagt Philipp, und seine eigene Stimme klingt ihm seltsam in den Ohren. Wider Willen ist er fasziniert, zum ersten
     Mal begegnet ihm der Tod, nackt und unverstellt und präsentiert sich dabei noch hässlicher und gruseliger als jedes Splattermovie,
     dabei gibt es nicht einmal Blut zu sehen. Währenddessen ohrfeigt seine Mutter Paul, wie sie es wahrscheinlich in einer Arztserie
     gesehen hat.
    »Paul ist nicht mehr da«, sagt er verwundert vor sich hin, oder er denkt es nur, denn seine Mutter macht unbeeindruckt weiter
     mit ihren Bemühungen, versucht es jetzt mit Mund-zu-Mund-Beatmung, als hätte sie ihn nicht gehört, als wäre nicht nur Paul
     weg, sondern auch er. Und in der nächsten Sekunde steht er im Flur, zieht die Schublade eines Schränkchens unter dem großen
     Spiegel neben dem Mantelständer auf, holt Barbaras Portemonnaie aus der Schublade und verstaut sie in seinen Jeans.
    »Da ist Blut an seinem Kopf«, hört er seine Mutter rufen und geht zurück in die Küche wie im Traum, alles ist ein Traum, nichts
     ist wahr, nichts ist real, in seinen Ohren rauscht es, und ihm ist schwindlig, wie manchmal, kurz bevor er kotzen muss.
    »Da«, sagt seine Mutter, keuchend, als wäre sie gelaufen, »da ist Blut an seinem Kopf. Als hätte ihn jemand   … als hätte ihn jemand   … Das Blut kommt nicht vom Sturz, siehst du. Auf dem Boden sind keine Flecken.«
    »Was?«
    »Jemand war hier.«
    Wenn der alte Schmitz ausgezogen ist, dann hat niemand gehört, was hier

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