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Wer Schuld War

Titel: Wer Schuld War Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Bernuth
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ihnen gekommen. Verena hat Alex’ Rolle übernommen, hat geradezu erschreckend mühelos und zielstrebig
     gleich nach der Scheidung ihren Halbtagsjob in eine Ganztagsstelle umgewandelt und wurde nur ein Jahr später zur Marketingleiterin
     befördert. Weshalbes mittlerweile kaum noch eine Chance gibt, an sie heranzukommen. Was Alex aber am meisten an der Sache aufregt, ist, dass
     sie ihn, wenn er sie denn mal an den Apparat bekommt, so unangenehm an ihn selbst erinnert, daran, wie er früher am Bürotelefon
     gewesen war: höflich, gelassen, abweisend, mit der unausgesprochenen Botschaft hinter jedem gemessen formulierten Satz, bei
     bestem Willen absolut keine Zeit für Nebensächlichkeiten zu haben.
    Zu seiner Überraschung schiebt die Sekretärin aber diesmal keinen Termin vor, summt stattdessen »Einen Moment, bitte«, und
     legt ihn in die Warteschleife, in der eine hohe männliche Stimme »You’re beautiful it’s true« in sein Ohr singt, dann eine
     weibliche Stimme auf Englisch und Deutsch bittet, zu warten, dann sich Verena mit ihrem neuen alten Namen meldet, und er an
     ihrem Tonfall sofort erkennt, dass sie weiß, wer dran ist.
    »Ich wollte nur hören, wie es euch geht«, sagt er, gibt sich Mühe, beherrscht sich, atmet tief in den Bauch.
    »Danke, gut. Sehr viel zu tun.«
    »Natürlich. Was macht Sophie?«
    »Sie fühlt sich wohl. Diese internationale Schule ist ein Segen. Sie spricht schon besser Englisch als ich.«
    »Das ist toll.«
    »Und sie hat einen Freund.«
    »Ach.«
    »Ja, er ist Kanadier. Ein ganz reizender Junge.«
    »Aber sie ist doch erst vierzehn.«
    Er hört ihr Lachen, das er schon längst nicht mehr als ihres erkennt, weil sie früher ganz anders gelacht hat, weniger perlend,
     natürlicher, frischer, echter, liebevoller. Aber er ist eben nicht mehr in der Position, ihr das zu sagen, weil sie nichts
     mehr von ihm
wissen
will, sich standhaft weigert, seine neuen Kompetenzen anzuerkennen,ihn vielmehr behandelt, als sei er ein Freak, gönnerhaft, affektiert, hochnäsig, anmaßend.
    »Mit vierzehn geht es eben los, Alex. Aber da passiert noch nicht viel.«
    »Was du natürlich ganz genau weißt.«
    »Sophie hat Vertrauen zu mir. Wenn mehr wäre, könnte sie mit mir darüber reden.«
    »Natürlich. Die verständnisvolle Mutter   …«
    »Hör zu, ich hätte große Lust, mit dir zu plaudern, Alex   …«
    »Davon bin ich überzeugt.«
    »…   aber mein Schreibtisch quillt über, wenn du verstehst, was ich meine. Ich bin erst heute früh aus London zurückgekommen, und
     morgen Mittag muss ich nach L.   A.«
    »Und was ist dann mit Sophie?«
    »Clemens ist ja da.«
    »Clemens ist nicht ihr Vater.«
    »Das hatten wir doch schon.«
    »Sie könnte doch bei mir übernachten«, sagt Alex und hört im selben Moment ihr leises Seufzen; es ist, als atmet sie ihm direkt
     ins Ohr, eine kleine, trügerische sinnliche Sensation, die ihr nächster Satz kaputt macht. »Sie will nicht.«
    »Das ist absurd. Sie ist immer noch meine Tochter. Wahrscheinlich hast du sie indoktriniert.«
    »Du weißt, dass das nicht wahr ist. Sie hat es dir selbst gesagt. Lass ihr Zeit.«
    »Wie lange denn noch?« Er spürt den Zorn in sich anwachsen wie eine heiße Welle und versucht erneut, ihn wegzuatmen.
    »Du bist damals einfach gegangen, Alex. So etwas versteht ein siebenjähriges Kind einfach nicht.« Ihre Stimme ist jetzt sanft
     und vernünftig, als spräche sie mit einem widerspenstigenSchüler, und das ist unerträglich, das hätte jeden Mann in Rage gebracht.
    »Meine Entscheidung war nicht gegen euch gerichtet, und das weißt du auch ganz genau.«
    »Sophie hat das aber so aufgefasst, Alex, und das weißt
du
genau.«
    »Weil du es ihr nicht richtig erklärt hast.«
    »Lass es einfach sein.«
    Die Verbindung ist unterbrochen, bevor er etwas erwidern kann, dafür kommt der weggeatmete Zorn mit Vehemenz zurück, schlägt
     über Alex zusammen, und schon hat Alex den Hörer so hart auf den Boden geknallt, dass die Batterieabdeckung abplatzt, woraufhin
     ihm eine Szene in den Sinn kommt, unvermittelt und intensiv, als habe ihn eine Zeitmaschine zehn Jahre zurückgeschleudert.
    Er holt keuchend Luft, weil er plötzlich wieder am Steuer seines Audis sitzt, Verena ausdauernd neben ihm schweigt, während
     er einen zufälligen Blick in den Rückspiegel wirft, die vierjährige Sophie in ihrem Kindersitz sitzen sieht und neben Sophie
     den leeren Platz bemerkt. Und plötzlich hat er dieses gespenstische Gefühl, dass

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