Wer sich in Gefahr begibt - Granger, A: Wer sich in Gefahr begibt - A Rare Interest in Corpses
euch nur flüchtig.«
»Ganz recht, und genau wie dein Freund Norton interpretierst du viel zu viel in eine flüchtige Bekanntschaft hinein.«
Frank nahm meine scharfe Bemerkung mit guter Miene hin. Ich war nicht überrascht, dass Tante Parry ihm von der Wohltäterrolle erzählt hatte, die mein Vater vor vielen Jahren gegenüber Ross eingenommen hatte; doch ich fragte mich, was sie sonst noch erzählt haben mochte. Würde Frank versuchen, sich meine Hilfe zu verschaffen, wie es seine Tante getan hatte? Frank hatte seine eigenen Gründe, warum er Ross’ Ermittlungen vom Dorset Square abgelenkt haben wollte; schließlich glaubte er, dass er ganz oben auf einer Liste von Verdächtigen stand, die Ross seiner Meinung nach führte. Aber wie dem auch sein mochte, Frank war noch nicht bereit, das Thema Ben Ross auf sich beruhen zu lassen.
Er blieb stehen und wandte sich mir zu. »Hör mal, Lizzie … hat er irgendetwas zu dir gesagt … über mich oder über irgendetwas, das mit dieser elenden Geschichte zu tun hat?«
»Er hat mir gegenüber keinerlei Verdacht gegen jemand geäußert«, antwortete ich.
»Und sonst auch nichts?« Ein scharfer Unterton hatte sich in seine Stimme geschlichen.
»Es gab wohl kaum eine Gelegenheit dazu«, entgegnete ich.
»Lizzie, du solltest Diplomatin werden. Du hast ein Talent dafür, Fragen auf eine Weise zu beantworten, die vollkommen erschöpfend scheint und in Wirklichkeit doch überhaupt nichts verrät.«
»Herrgott im Himmel!«, entfuhr es mir. »Wenn du es unbedingt wissen musst, ich bin Inspector Ross gestern Nachmittag rein zufällig in der Oxford Street begegnet! Wir wurden von Dr. Tibbett unterbrochen, bevor wir uns eingehend unterhalten konnten. Nachdem Ross gegangen war, habe ich Dr. Tibbett selbst meine Meinung gesagt. Wir haben uns ein paar Wahrheiten an den Kopf geworfen. Ich kann es dir genauso gut verraten. Er wird ohnehin zu Tante Parry gehen und sich bei ihr über mich beschweren!«
»Meine Güte!«, sagte Frank langsam. »Das war keine gute Idee, Lizzie, sich mit dem guten Dr. Tibbett zu überwerfen. Er ist ein heimtückischer, alter Mistkerl, wenn er jemanden zu seinem Feind erklärt hat.«
»Das glaube ich gerne«, sagte ich. »Ich denke, ich bin nicht ganz die Gesellschafterin, die Tante Parry sich erhofft hat.«
»Das mag ihre Meinung sein«, sagte Frank unerwartet, »doch es ist nicht meine.«
Ich war nicht sicher, was er damit sagen wollte, und ich spürte, wie ich nervös wurde. Eine Weile gingen wir schweigend nebeneinander her.
»Ich habe nach einer Gelegenheit gesucht, um mit dir zu reden, Lizzie …«, sagte Frank schließlich.
»Du hast reichlich Gelegenheiten, um mit mir zu reden«, entgegnete ich.
»Nein, nicht ernsthaft und länger. Ich sehe dich am Frühstückstisch, doch das ist wohl kaum der geeignete Ort mit Simms, der ständig ein und aus geht. Und bei jeglichen anderen Gelegenheiten riskieren wir, entweder von Tante Julia oder von Simms gestört zu werden. Er schleicht durch das Haus wie eine Katze. Ich bin sicher, er ist Tante Julias Spion«, schloss Frank seine Rede missmutig.
Also hielt Frank den Butler ebenfalls für einen Spion! Ich fragte mich, was er zu sagen hatte, dass seine Tante nichts davon erfahren durfte.
»Wir haben vor ein paar Abenden in der Bibliothek miteinander geredet, als du spät in der Nacht nach Hause gekommen bist«, erinnerte ich ihn unwillig, weil die Erinnerung an jenen Abend für mich eher unbefriedigend war.
»Du hast halb geschlafen«, entgegnete er unverblümt.
Ich war dieses Wortgefecht leid. Ich blieb am Eingang zum Dorset Square stehen und sah ihm in die Augen. »Nun dann, was willst du mir sagen?«, forderte ich ihn auf zu reden.
»Oh, Lizzie!«, erwiderte er, halb melancholisch und halb lachend. »Du hast vielleicht eine Art, einem Mann kaltes Wasser über den Kopf zu gießen!«
»Ich möchte nicht unhöflich erscheinen, Frank«, entschuldigte ich mich; »aber ich möchte wirklich wissen, wovon du redest!«
»Weißt du das denn nicht?«, entgegnete er. »Nun dann, es bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als deutlicher zu werden. Du weißt, dass ich bald nach St. Petersburg versetzt werde.«
»Selbstverständlich weiß ich das! Hast du schon ein Datum für deine Abreise?«
»Ich werde in etwa einem Monat aufbrechen, nicht später. Ich weiß, dass Tante Julia aufgebracht sein wird, doch sie hat es von Anfang an gewusst, und sie hat akzeptiert, dass ich nicht endlos in ihrem Haus am
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