Wer sich in Gefahr begibt - Granger, A: Wer sich in Gefahr begibt - A Rare Interest in Corpses
Beruf zuzuwenden. Ein schlecht bezahlter Kurator ohne Hoffnung auf eine Pfründe war wenig mehr als eine arme Verwandte wie ich. Doch ein Schulmeister einer guten Schule ist eine angesehene Persönlichkeit, der man Respekt entgegenbringt. Es erklärte zumindest eine Sache, nämlich die, woher er seine überheblichen Manieren hatte. Er redete mit uns wie mit einer Klasse faszinierter kleiner Buben.
Nun machte er sich daran, mich in meine Schranken zu weisen, weil ich es gewagt hatte, ihn in seinem Redefluss zu unterbrechen. »Ich hoffe sehr, Miss Martin, dass Sie sich in die Gewohnheiten dieses Haushalts einfinden und all das sein werden, was Mrs Parry von Ihnen erwartet.«
»Ich werde mein Bestes tun«, versprach ich ihm.
»Sie wissen sicherlich«, fuhr er fort und richtete den Blick grimmig auf mich, »dass unsere gütige Lady bereits eine große Enttäuschung erlebt hat.«
Ich erschrak, weil mir beim besten Willen nicht einfallen wollte, womit ich meine Wohltäterin in der kurzen Zeit enttäuscht hatte, die ich im Haus weilte.
Doch Frank meldete sich zu Wort und erlöste mich. »Dr. Tibbett meint damit nicht Sie, Miss Martin.«
Mrs Parry blickte verwirrt drein. Sie ließ die Gabel fallen, mit der sie ein Stück Steinbutt seziert hatte, und tupfte sich mit einer Serviette den Mund. »Ich habe Miss Martin diese elende Geschichte bisher noch gar nicht erzählt, fürchte ich. Ich dachte, dass ich es vielleicht morgen …«
»Ah«, sagte Dr. Tibbett, nicht im Mindesten verlegen, dass er ins, wie es so schön heißt, Fettnäpfchen getreten war. »Peinliche Erklärungen werden nicht dadurch einfacher, dass man sie hinauszögert.«
»Nein … nein, in der Tat nicht«, stammelte die arme Mrs Parry.
Frank beeilte sich, die Unterhaltung weiterzuführen. Seinem Blick nach zu urteilen, war er ungehalten wegen Dr. Tibbetts tadelndem Ton gegenüber seiner Tante.
»Hören Sie«, sagte er. »Es ist kein Geheimnis und, na ja, es ist eigentlich auch kein Skandal. Es ist nämlich so, Miss Martin: Vor Ihnen gab es schon einmal jemanden, der die Stellung der Gesellschafterin von Tante Julia innehatte. Ihr Name war Maddie Hexham.«
»Miss Madeleine Hexham«, korrigierte ihn Dr. Tibbett gereizt. Es gefiel ihm ganz und gar nicht, dass man ihm so den Wind aus den Segeln nahm. »Eine junge Person aus der Provinz, aus dem Norden, genau wie Sie, Miss Martin.«
»Sie hatte exzellente Referenzen«, sagte Mrs Parry ziemlich kleinlaut für meinen Geschmack. »Sie kam auf eine Empfehlung von einer Freundin von Mrs Belling.«
»Das Leben in London …«, sagte Dr. Tibbett und fixierte mich streng, »… das Leben in London war nichts, woran sie gewohnt war. Zu ihrer Unerfahrenheit in Bezug auf diese große Stadt und ihre Versuchungen kam ihr eigener beklagenswert schwacher Charakter und, wie wir leider feststellen mussten, ein gewisses Talent, andere zu täuschen. Ganz ohne Zweifel hat sie ihre exzellenten Referenzen auch auf diese Weise erhalten. Durch Heuchelei, Ma’am! Durch Heuchelei!«
»Tatsache ist«, sagte Frank laut, »dass Miss Hexham ohne Vorankündigung aus diesem Haus verschwunden ist, und niemand hat sie seither gesehen! Sie hat nichts mitgenommen, und wir alle dachten zuerst, sie hätte einen Unfall gehabt. Wir informierten die zuständige Polizei. Genutzt hat es nichts. Wie sich dann herausgestellt hat, hätten wir uns die Mühe sparen können.«
»Sie hat geschrieben«, erklärte Mrs Parry. »Ungefähr zehn Tage später, Elizabeth, erhielt ich einen Brief von ihr. Keinen langen Brief, doch ausreichend, um uns, nein, ich kann nicht sagen zu beruhigen, aber doch genug, um uns zu berichten, was sich ereignet hatte. Ich muss sagen, ich war äußerst überrascht. Wenigstens hat sie es für nötig befunden, uns über ihre Handlungen zu informieren.«
»Und was für Handlungen waren das, Ma’am?«, grollte Dr. Tibbett, und seine Augen leuchteten triumphierend. »Sie war in Sünde und Unzucht gefallen. Das hat sie uns in ihrem Brief berichtet.«
»Sie ist mit einem Mann durchgebrannt«, übersetzte Frank für mich.
»Sie schrieb, dass es ihr leid täte, wenn ich ihretwegen Unannehmlichkeiten hätte«, sagte Mrs Parry traurig. »Sie hätte ihre Sachen nicht mitgenommen, weil es Fragen nach sich gezogen hätte, wäre sie mit einer Tasche beim Verlassen des Hauses gesehen worden. Sie bat mich, mit den Sachen zu machen, was ich für richtig hielt.«
»Keinerlei Gefühl für Verantwortung!«, schimpfte
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