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Wer sich in Gefahr begibt - Granger, A: Wer sich in Gefahr begibt - A Rare Interest in Corpses

Wer sich in Gefahr begibt - Granger, A: Wer sich in Gefahr begibt - A Rare Interest in Corpses

Titel: Wer sich in Gefahr begibt - Granger, A: Wer sich in Gefahr begibt - A Rare Interest in Corpses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
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reagieren, die ihren Schritt verlangsamten. Er sprang vor, einen kleinen, stoffüberzogenen Becher in den winzigen Händen. Der Ausdruck in seinem Gesichtchen war das Traurigste, was ich je bei einem Tier gesehen hatte. Mir gefiel das Aussehen des Drehorgelspielers nicht und noch weniger sein ungleichmäßiges Spiel, doch ich konnte den Affen unmöglich einfach ignorieren. Das war natürlich auch der Zweck, zu dem das arme Tier missbraucht wurde. Also suchte ich nach einem Penny, während ich zugleich versuchte, in die Richtung zu blicken, in die Bessies Finger deutete.
    Ich ließ den Penny in den Becher fallen, und der Affe sprang auf die Fassorgel hinauf. Der Mann hatte aufgehört zu spielen, nahm den Penny aus dem Becher und steckte ihn ein, bevor er das arme Tier auf der Rückseite der roten Jacke packte und es achtlos zurück auf den Boden fallen ließ.
    Ich wäre am liebsten hingegangen und hätte ihn ermahnt, sanfter mit dem Tier umzugehen, obwohl ich wusste, dass es keinen Sinn hatte. Doch just in diesem Augenblick bemerkte ich das Objekt von Bessies Interesse. Ein kleines Stück voraus bewegte sich eine große, stattliche Gestalt in einem schwarzen Frack mit silbergrauem Haar, das unter dem Hut bis auf den Kragen fiel, mit der gleichen zuversichtlichen Gelassenheit durch die Menge, mit der die Israeliten das Rote Meer durchquert haben mussten. Während die Menge sich vor ihm teilte und hinter ihm wieder schloss, schwang er einfach seinen Gehstock, um den ein oder anderen Hund oder einen kleinen Jungen zu vertreiben, der seinen Weg kreuzte, doch ansonsten hätte er sich genauso gut durch eine menschenleere Straße bewegen können. Selbst von hinten war er unmöglich zu verwechseln.
    »Na so was, das ist ja Dr. Tibbett!«, rief ich aus.
    Während ich sprach, erblickte ich zwei junge Frauen, die Dr. Tibbett vor uns entgegenkamen. Sie waren gut gekleidet, wenngleich in schrille Farben, und während sie sich näherten, unterhielten sie sich lebhaft, was mich insgesamt an australische Sittiche erinnerte. Keine der beiden war älter als vielleicht neunzehn Jahre, und beide, obwohl offensichtlich an dem interessiert, was die jeweils andere sagte, hielten wachsam Ausschau nach einzelnen Männern, deren Aufmerksamkeit sie zu erregen trachteten. Sie hatten die Köpfe eng zusammengesteckt, doch ihr Lächeln schien prospektiven Männern zugewandt.
    Während unseres bisherigen Weges war mir bereits aufgefallen, dass auf den Straßen Londons kein Mangel an derartigen Frauen zu herrschen schien. In den ärmeren Gassen waren sie schmuddeliger gewesen und schamloser; hier hingegen bemühten sie sich um einen gewissen Stil. Dr. Tibbett musste sie ebenfalls bemerkt haben. Sie waren fast auf gleicher Höhe mit ihm. Dann blieben zu meiner größten Überraschung alle drei stehen und begannen eine kurze Unterhaltung. Nachdem ich seine häufig zum Ausdruck gebrachte Meinung bezüglich moralischer Laxheit gehört hatte, insbesondere, was jüngere Menschen anging, fragte ich mich, was er diesen beiden Frauen wohl zu sagen hatte. Hielt er ihnen etwa eine Predigt? Aber nein, die beiden Frauen grinsten sogar breiter denn zuvor, und sie versuchten noch nicht einmal mehr, so zu tun, als wären sie nicht an dem Gentleman interessiert. Eine Diskussion nahm ihren Lauf. Ich nahm Bessie bei der Schulter und führte sie in den Eingang eines Ladens, von wo aus wir das Geschehen unbeobachtet verfolgen konnten. Ich hielt es für wenig wahrscheinlich, dass Dr. Tibbett erfreut reagieren würde, falls er eine von uns beiden erblickte.
    Die drei kamen zu einer Übereinkunft. Dr. Tibbett wandte sich um und hob seinen Gehstock, um einen sich nähernden Growler heranzuwinken. Er reichte einer der beiden jungen Frauen die Hand und half ihr einzusteigen, nachdem er zuerst kurz mit dem Kutscher gesprochen hatte, der daraufhin nickte. Tibbett sprang in überraschend sportlicher Manier hinterher; der Kutscher schnalzte mit den Zügeln, und das Pferd setzte sich mit seiner Fracht in unsere Richtung in Bewegung.
    »Sieh mal einer an!«, sagte Bessie neben mir mit nicht geringer Bewunderung in der Stimme. »Der geistliche Gentleman fährt mit einer Metze fort!«
    Während sie sprach, rumpelte der Growler an uns vorbei, und ich erhaschte durch das Fenster einen kurzen Blick auf besagte Metze, die sich in diesem Augenblick vorbeugte und ihren Begleiter neckisch in den Backenbart kniff. Es mochte ihre normale Verhaltensweise sein, doch mir kam die Geste

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