Wer sich in Gefahr begibt - Granger, A: Wer sich in Gefahr begibt - A Rare Interest in Corpses
gestört? Einigermaßen neugierig sah ich mir den Besucher an.
Er hatte seinen Stuhl zurückgeschoben und sich erhoben, die zerknitterte Serviette noch in der linken Hand. Er war ein ziemlich junger Mann und trug eine Brille mit ovalen Gläsern und einen dunkelblauen Gehrock. Das glatte braune Haar war von der hohen Stirn nach hinten gebürstet und wurde durch großzügig appliziertes Haaröl an Ort und Stelle gehalten. Für mich sah er aus wie der Chefkassierer einer Bank. Ob meines Eintretens schien er überrascht und ein wenig aus der Fassung zu sein.
»Dies ist Mr Fletcher, Elizabeth.« Mrs Parry bedeutete ihm mit einem Wink, wieder Platz zu nehmen. »Das ist nur meine Gesellschafterin, Miss Martin, Mr Fletcher. Bitte fahren Sie doch fort mit Ihrer Erzählung. Elizabeth, setz dich. Ich sage Simms Bescheid, damit er das Hühnchen noch mal bringt.«
»Oh, nein danke«, entgegnete ich. »Es tut mir sehr leid, dass ich mich verspätet habe, aber ich bin nicht hungrig.«
Das erregte Tante Parrys Aufmerksamkeit. »Nicht hungrig? Oh, Unsinn. Wenigstens etwas kalten Pudding solltest du dir nehmen.«
Mit diesen Worten lenkte sie meine Aufmerksamkeit auf einen rehbraunen Pudding, dessen Hauptbestandteile Milch und Mehl waren, zusammen mit einer Tasse voll starkem süßem Kaffee, der der Speise das Aroma verlieh, sowie vielleicht einem oder zwei Eiern, um der Substanz Halt zu geben. Ich war nie eine Anhängerin dieser Art von kaltem Pudding gewesen, ganz gleich, welches Aroma er auch haben mochte.
Einmal, als Kind, war ich in Mary Newlings Küche spaziert und hatte sie dabei angetroffen, wie sie ein Kaninchen gehäutet hatte. Ich war überrascht gewesen, wie einfach sich der ganze Pelz hatte abstreifen lassen – fast so einfach, als würde man einen Handschuh ausziehen. Er löste sich einfach von dem toten Tier, und zurück blieb ein glänzender, nicht blutender Körper, bei dem man sämtliche Muskeln und Sehnen sehen konnte. Ich mochte Kaninchen seit damals nicht mehr, und der ›Pudding‹ erinnerte mich auf unangenehme Weise an jene kleine gehäutete Kreatur. Die Tatsache, dass er ringsum mit einer Girlande aus grünen Blättern verziert war, der an einen Kranz erinnerte, half auch nicht gerade.
»Danke sehr«, sagte ich und nahm mir, da Simms abwesend war, selbst eine kleine Portion.
Ich saß Mr Fletcher gegenüber, und Tante Parry saß zwischen uns am Kopf des Tisches. Obwohl sie ihn gebeten hatte fortzufahren, schien er zu zögern und fummelte mit seiner Serviette herum, während er mich die ganze Zeit über zweifelnd anstarrte. Endlich, als er meinem Blick begegnete, sprudelte er hervor: »Erfreut, Sie kennen zu lernen, Miss Martin.«
»Ganz meinerseits«, erwiderte ich höflich, oder so höflich es mit einem Mund voll Kaffee-Pudding ging.
»Mir war ja gar nicht bewusst, Ma’am«, sagte Fletcher an Tante Parry gewandt und mit einem nervösen Seitenblick in meine Richtung, »dass Sie eine neue Gesellschafterin engagiert haben.«
»Oh, Elizabeth ist das Patenkind des verstorbenen Mr Parry«, erklärte sie. »Ihr Vater starb vor nicht allzu langer Zeit, und sie brauchte ein Dach über dem Kopf; daher passte es uns beiden ganz ausgezeichnet, dass sie hergekommen ist. Wir kommen wunderbar miteinander zurecht, nicht wahr, Elizabeth?«
»Sie sind zu liebenswürdig, Tante Parry«, antwortete ich.
»Mr Fletcher …«, sagte Tante Parry, als wäre ihr plötzlich eingefallen, dass sie mir eine Erklärung bezüglich der Identität des Besuchers geben sollte, »Mr Fletcher repräsentiert die Midland Railway Company. Er ist geschäftlich hergekommen.«
»Möchten Sie vielleicht, dass ich nach draußen gehe, Tante Parry?«, fragte ich und legte meinen Löffel nieder. »Ich möchte nicht bei einer vertraulichen Geschäftsbesprechung stören.«
»Es gibt keinen Grund, warum du nicht bleiben solltest, mein Kind. Du kannst dir gerne anhören, worüber wir sprechen. Fahren Sie doch fort, Mr Fletcher.« Sie nickte Fletcher zu.
Ich glaubte zu erkennen, dass Fletcher über einen unerwarteten Zuhörer bei dieser Konversation alles andere als glücklich war, doch es gab nichts, was er hätte tun können, nachdem Mrs Parry mir ihren Segen gegeben hatte.
Er legte seine Serviette beiseite und begann stattdessen, mit dem silbernen Ring zu spielen, der sie gehalten hatte. »Wie ich bereits sagte, Ma’am, diese Verspätung führt zu allerlei Unannehmlichkeiten. Die Kosten steigen mit jeder verlorenen Arbeitsstunde. Die
Weitere Kostenlose Bücher