Wer sich in Gefahr begibt - Granger, A: Wer sich in Gefahr begibt - A Rare Interest in Corpses
richtig informiert bin, Ma’am.« Fletchers Tonfall besagte, dass er eigentlich ›nicht schlimm genug‹ meinte. »Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis einer von ihnen von einem Klumpen Mauerwerk getroffen wird, das ihm den Schädel zertrümmert!«
»Ach du meine Güte!«, rief Tante Parry erschrocken aus.
Fletcher beugte sich erneut vor, um auf seine beschwörende Weise auf sie einzureden. »Worauf ich hinauswill, Ma’am … falls Sie Einfluss auf den Scotland Yard ausüben können, damit die ihre Ermittlungen auf der Baustelle beschleunigen und möglichst schnell beenden, wäre dies für uns alle von größter Hilfe.«
»Aber ich sehe nicht, wie ich Einfluss ausüben könnte!«, protestierte Tante Parry.
»Sie waren die Arbeitgeberin der jungen Frau. Wenn Sie deutlich machen, dass Sie denken, alles Nötige wäre getan, und dass Sie keine weiteren Schritte von der Polizei erwarten, nun ja … dann würde sie sich nicht gezwungen fühlen, so herumzuwühlen, wie sie das bisher tut. Die Beamten wollen sich beweisen, Ma’am, gegenüber der Öffentlichkeit und vor allen Dingen Ihnen gegenüber.«
»Ich werde darüber nachdenken«, sagte Tante Parry und klang, als meinte sie es ernst.
Fletcher kam offensichtlich zu dem Schluss, dass der Zweck seines Besuches erreicht war. Er erhob sich von seinem Stuhl. »Ich danke Ihnen für das exzellente Essen, Ma’am. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, meine Damen, ich muss zurück nach Agar Town und sehen, was auf der Baustelle passiert.«
»Mögen Sie keinen Käse mehr?«, fragte Tante Parry, doch sie war mit den Gedanken bereits woanders.
»Nein, Ma’am, danke sehr. Miss Martin!« Er nickte mir flüchtig zu. »Liebe Mrs Parry!«, sagte er sodann und verneigte sich tief vor ihr.
»Läute bitte nach Simms«, forderte Tante Parry mich auf die gleiche gedankenverlorene Weise auf.
Ich erhob mich und ging, um zu tun wie mir geheißen. Simms erschien mit seiner üblichen Eilfertigkeit, und der Besucher entschwand.
Ich kehrte an den Tisch zurück, doch anstatt mich erneut zu setzen, blieb ich mit den Händen auf der Lehne hinter meinem Stuhl stehen. Vor mir stand die Schale mit den unansehnlich gewordenen Überresten des Puddings inmitten seiner umgebenden Vegetation. Ich hielt es für sicher, meine Portion aufzugeben. Außerdem gab es etwas Wichtigeres als das Essen, und wenn Mrs Parry erfuhr, was ich ihr zu sagen hatte, würde sie über mehr nachdenken müssen als über meinen verlorenen Appetit.
Sie starrte in Gedanken versunken auf das Tischtuch. Schließlich sagte sie mit einer Stimme, die vor Emotionen bebte: »Wenn ich auch nur den leisesten Verdacht gehabt hätte, welchen Ärger Madeleine Hexham diesem Haus bereiten würde, sie hätte niemals auch nur einen Fuß über meine Schwelle gesetzt. Es scheint, als sollte ich nicht mehr zur Ruhe kommen, bis die Polizei ihre Ermittlungen abgeschlossen hat!«
»Vielleicht ist es ja bald so weit«, sagte ich zu ihr. »Dann haben du und Mr Fletcher wieder Ruhe.«
»Er vielleicht. Ich bestimmt nicht!«, entgegnete Tante Parry scharf. »Die Eisenbahngesellschaft wird zufrieden sein, dass die Arbeiten mit normaler Geschwindigkeit fortgesetzt werden. Doch ein Gerichtsverfahren wird die Zahl der neugierigen Spaziergänger draußen vor dem Haus nur noch verdoppeln! Es ist jedenfalls genug, um mir jegliche Ruhe zu rauben!«
Das war nicht der beste Augenblick für das, was ich zu sagen hatte, doch es musste sein. Ich konnte nicht länger damit warten.
»Tante Parry, ich muss dir etwas sagen, das ich dir schon längst hätte sagen sollen. Und in Anbetracht all dessen, was Mr Fletcher gesagt hat, glaube ich, es muss jetzt sein.«
Tante Parry sah mich leicht überrascht an; dann wurde sie merklich nervös. »Elizabeth, ich hoffe doch sehr, ich muss jetzt nicht hören, dass du … dass du dich in eine Bredouille gebracht hast?« Ihre Stimme nahm einen klagenden Tonfall an. »Ist das möglich? Doch sicherlich nicht, oder? Mein liebes Kind, du bist doch erst seit ein paar Tagen in London …«
»Oh nein, Tante Parry, nichts dergleichen«, beeilte ich mich, sie zu beruhigen.
»Was dann?«, fragte sie grollend.
Ich erklärte ihr, so gut ich dies vermochte, dass ich es zwar beim ersten Besuch von Inspector Ross in diesem Haus nicht erkannt hatte, doch dass er mir von früher bekannt und dass mein Vater all die Jahre zuvor sein Wohltäter gewesen war.
Tante Parry lauschte meiner Erzählung mit hervorquellenden Augen.
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