Wer sich nicht fügen will
Menschen befriedigt werden, ob Arm oder Reich. Sexualität darf nicht vom Besitz abhängig sein.«
»Könnte glatt die Schwester von Robin Hood sein! Warum hat sie mit dem Programm nicht für den Stadtrat kandidiert?«
»Meine Stimme wäre ihr sicher gewesen«, rief Puupponen dazwischen. Ich lächelte, obwohl mir nicht danach zumute war. Wem war Lulu Nightingale so gefährlich geworden, dass er sie aus der Welt schaffen musste?
VIER
Bekommen wir eine komplette Aufstellung zustande, wer gestern wann ins TV-Studio gekommen ist?«, fragte ich Koivu, als wir nach der Besprechung in meinem Dienstzimmer saßen. Die Maskenbildnerin hatte per E-Mail ihren Dienstplan geschickt, und kurz darauf hatte Länsimies die Ankunftszeiten der Gäste gemailt. Wahrscheinlich würden die Aufzeichnungen der Überwachungskameras die Angaben bestätigen.
»Die Sendung fing um 21.30 an. Terhi Pihlajamäki war für 19.30 bestellt und wurde sofort geschminkt. Nordström, Mustajoki und Hytönen kamen jeweils im Abstand von einer Viertelstunde, Lulu Nightingale ist um 20.30 als Letzte eingetroffen. Hytönen wurde um 20.00 geschminkt, Mustajoki um 20.15 und Nordström um 20.45. Die Maskenbildnerin Nuppu Koskela, die Kameraleute und der Tonmeister waren gegen sieben gekommen. Länsimies sagt, er sei ab fünf mit Riitta Saarnio im Studio gewesen, um über den endgültigen Ablauf der Show und über die einzelnen Fragen an die Gäste zu sprechen.«
»Ein ziemliches Hin und Her. Heute müssen wir mindestens Länsimies, Nordström und Sulonen befragen. Hoffentlich behindert Nordströms Position die Ermittlungen nicht.«
»Soll etwa die Sicherheitspolizei den Fall übernehmen?«, schnaubte Koivu. Das Verhältnis zwischen der Zentralkripo und der staatlichen Sicherheitspolizei war nicht besonders gut, und der Abhörskandal beim Telefonanbieter Sonera hatte für weitere Spannungen gesorgt.
Der Türsummer ertönte, und Vesterinen von der Asservatenkammer kam herein. Er brachte Lulu Nightingales Mantel und Handtasche. Bevor wir die Sachen anfassten, zogen wir Schutzanzüge und Handschuhe an, und ich bemühte mich verzweifelt, meine Haare unter die weiße Haube zu stopfen. Dann legten wir eine Schutzfolie auf den Tisch und breiteten den Mantel darauf aus. Koivu untersuchte die Seitentaschen. Die eine enthielt ein weißes Taschentuch, die andere war leer. In der Brusttasche fand sich eine Spraydose. Koivu hob sie hoch.
»Pfefferspray, schau an«, bemerkte er.
Die Handtasche aus schwarzem, rot besticktem Leder war etwas größer als ein Taschenbuch. Obwohl ich mich mit Handtaschenpreisen nicht auskannte, hätte ich gewettet, dass dieses Exemplar teuer war. Ich ließ den dekorativen Verschluss aufschnappen. Innen hatte die Tasche zwei Fächer, getrennt durch ein Zwischenfach mit Reißverschluss. An der Seite des einen offenen Fachs befand sich eine weitere kleine Tasche mit Reißverschluss und eine Halterung für das Handy.
»Lulus Handy. Hervorragend!« Es war ein neues, muschelförmiges Modell, das eher einer Puderdose glich als einem Telefon. Ein großer Kosmetikbeutel füllte etwa die Hälfte der Handtasche, in dem Täschchen neben dem Handy befanden sich ein Schlüsselbund und separate Autoschlüssel, die größere Reißverschlusstasche enthielt ein Sortiment von Arzneimitteln: Schmerztabletten, Allergiespray, ein paar Schlaftabletten, ein Mittel gegen Sodbrennen und ein Kondom.
»Die Kleine war auf alles vorbereitet«, versuchte Koivu zu witzeln, begriff dann aber selbst, dass sein Witz hinkte. Denn offenbar hatte Lulu Nightingale doch nicht alles vorhergesehen.
Im zweiten Fach befanden sich eine zierliche Geldbörse und ein dünner Kalender, den ich hastig durchblätterte. Er betraf ganz offensichtlich nur Lulus Privatleben, denn er enthielt nur wenige Eintragungen. In der Vorwoche war sie beim Frisör gewesen, für diese Woche war lediglich die Talkshow eingetragen. Am heutigen Tag hätte sie um zwölf Uhr einen Massagetermin gehabt.
Die Geldbörse enthielt zwei Kreditkarten, Bonuskarten von drei verschiedenen Fluggesellschaften, die Sozialversicherungskarte, einen Bibliotheksausweis, hundertzwanzig Euro und fünfzig Cent Bargeld sowie einen Stapel Visitenkarten. »Deine kühnsten Träume werden wahr. Lulu Nightingale, Die frivole Nachtigall.« Darunter eine Telefonnummer und die URL von Lulus Homepage. Beide mussten überprüft werden, dazu die Telefonate und E-Mails. Die notwendigen Genehmigungen hatte ich bereits am Morgen beantragt,
Weitere Kostenlose Bücher