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Wer sich nicht fügen will

Wer sich nicht fügen will

Titel: Wer sich nicht fügen will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Letholainen
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das speziell eine Angelegenheit für weibliche Polizeibeamtinnen sein sollte. Schließlich mussten alle Polizisten derartige Fälle bearbeiten. Als Opfer würde ich allerdings wahrscheinlich auch lieber mit einer Frau sprechen als mit einem Mann. Andererseits wurde den Polizistinnen vorgeworfen, sie seien strenger als ihre männlichen Kollegen und neigten eher dazu, dem Opfer die Schuld zu geben. Vielleicht wussten wir besser als die Männer, wie schutzlos eine betrunkene Frau auf einer dunklen Straße ist, aber damit ließ sich nun wirklich keine Vergewaltigung rechtfertigen. Nachdem ich eine halbe Stunde gearbeitet hatte, holte ich mir einen Kaffee, obwohl ich immer noch den Geschmack von Nordströms Teergebräu im Mund hatte. Bei der Gelegenheit blätterte ich rasch die Boulevardzeitung durch, die im Kaffeeraum lag. Über den Mord an Lulu brachte sie nur noch einen kurzen Bericht auf einer der hinteren Seiten.
    Irgendjemand hatte auch die neueste Ausgabe eines wöchentlich erscheinenden Revolverblattes auf dem Tisch liegen gelassen. Auf dem grellen, wie eine Flickendecke gestalteten Titelblatt prangte ein Bild von Mauri Hytönen. Das dazugehörige Interview war zwei Seiten lang; auf einem Foto posierte Hytönen mit einer Blondine, die wesentlich mehr Make-up als Kleidung trug. Hytönen sagte im Interview dasselbe, was er bereits im Fernsehen von sich gegeben hatte, und fügte hinzu:
    »Die Frauen verlangen heute viel zu viel. Sogar beim Sex soll sich der Mann nur darauf konzentrieren, die Frau zu befriedigen, und seine eigene Lust vernachlässigen. Dadurch entsteht ein Erwartungsdruck, den die Feministinnen geschickt ausnutzen. Ich zahle gern dafür, dass ich an meine eigene Befriedigung denken und bestimmen darf, wie sie herbeigeführt wird.«
    Auf der nächsten Seite ging es um die jüngste Promi-Scheidung; das Wort hatte der betrogene Mann. Waren Scheidungen oder Seitensprünge des Partners leichter zu ertragen, wenn man sie vor der Öffentlichkeit ausbreitete, linderte der Medienrummel die reale, schmerzliche Erfahrung? Vielleicht war Mauri Hytönen einfach nur ehrlich, wenn er feste Bindungen mied und sich den Sex stattdessen kaufte. Wäre das nicht tatsächlich leichter: keine überflüssigen Gefühle, keine Verantwortung? Für Kinder wäre in einer solchen Welt allerdings kein Platz.
    Ich hatte mich gerade wieder an den Schreibtisch gesetzt, als das Telefon klingelte. Die Nummernanzeige meldete einen unbekannten Anrufer.
    »Arto Saarnio hier, guten Tag. Hätten Sie einen Moment Zeit für mich? Ich hatte gerade ganz in Ihrer Nähe eine Besprechung und würde mich gern mit Ihnen unterhalten.«
    »Jetzt gleich?«
    »Wenn es Ihnen recht ist. Ich kann in fünf Minuten da sein.«
    »Ihr Anliegen betrifft offenbar den Tod von Lulu Nightingale?«
    Saarnio seufzte. »Ja … oder eigentlich … Na ja, das erzähle ich Ihnen dann. Es gibt im Präsidium sicher einen Raum, wo wir ungestört sprechen können?«
    Das ließ sich arrangieren: mein Büro. Hastig schob ich die verstreuten Papiere zusammen. Ob Arto Saarnio seine Frau verdächtigte? Als ich die Treppe hinunterlief, um ihn in der Eingangshalle in Empfang zu nehmen, merkte ich, dass meine Muskeln vor Aufregung völlig verspannt waren.
    Sanierer-Saarnio hatte seinen Kamelhaarmantel nicht zugeknöpft; darunter trug er einen perfekt sitzenden dunkelgrauen Anzug. Die mattrote Krawatte passte genau zum rot-weiß gestreiften Hemd, in den schwarzen Schuhen hätte man sich spiegeln können. Den einzigen Kontrast zum konservativen Äußeren bildete der grau melierte Dreitagebart, dessen Länge die Hand eines geschickten Friseurs verriet: Nur einen Millimeter länger, und er hätte ungepflegt gewirkt. Die Menschen, die in der Eingangshalle warteten, starrten ihn unverfroren an, ein alter Mann ballte die Fäuste. Saarnio gab mir die Hand, doch sein Lächeln reichte nicht bis zu den Augen, obgleich es die Lachfältchen zum Vorschein brachte. Wir fuhren mit dem Aufzug nach oben. Auf dem Dezernatsflur sah er starr geradeaus, als wollte er jeden Blickkontakt vermeiden. Erst als ich die Tür zu meinem Zimmer geschlossen hatte, begann er zu sprechen.
    »Sie verstehen sicher, Frau Kommissarin, dass alles, was ich Ihnen sagen werde, absolut vertraulich ist?«
    »Herr Direktor, sicher werden Sie Ihrerseits verstehen, dass ich Ihnen nichts zusichern kann, bevor ich Ihr Anliegen kenne. Bitte, nehmen Sie Platz.« Ich wies auf das Sofa. Saarnio lachte nervös über meine Bemerkung und

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