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Wer sich nicht fügen will

Wer sich nicht fügen will

Titel: Wer sich nicht fügen will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Letholainen
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strich sich über das Kinn, bevor er weitersprach.
    »Ich bin nicht hier, um einen Mord zu gestehen, ich … Ob Sie es glauben oder nicht, ich habe in meinem Leben viele qualvolle Gespräche mit weinenden Menschen führen müssen, aber keines davon war so schlimm wie das hier.«
    »Von diesen Gesprächen habe ich durchaus eine Vorstellung. Mein Schwager war Leiter der PR-Abteilung bei Copperwood.«
    Die Worte sprudelten hervor, ehe ich Zeit zum Nachdenken gehabt hatte.
    »Jarmo Vesterinen, ich erinnere mich an ihn. Ein guter Mann. Er findet mit Sicherheit eine neue Anstellung in seiner Branche, sofern er bereit ist, von Joensuu nach Helsinki oder ins Ausland zu ziehen. Seinetwegen haben Sie natürlich allen Grund, mich zu verabscheuen, und das, was ich Ihnen jetzt sage, wird Ihre Haltung sicher nicht zum Positiven verändern. Ich war nämlich ihr Kunde.«
    »Kunde bei Lulu Nightingale?« Ich tastete nach dem Recorder, denn unter diesen Umständen war ich gezwungen, eine offizielle Vernehmung zu führen. Doch Saarnio winkte ab.
    »Nicht bei ihr, sondern bei der Frau, die Sie suchen. Oksana Petrenko. Die Geschichte ist so banal, dass ich nicht weiß, wie ich sie erzählen soll … Sie betrifft ja nicht nur mich. Aber in Ihrem Beruf haben Sie sicher schon alle möglichen Geschichten gehört.« Saarnio versuchte erneut, ein Lächeln zustande zu bringen. Ich lächelte nicht zurück. Er stand kurz auf, zog seinen Mantel aus und legte ihn sorgfältig neben sich auf das Sofa. Ich nahm den leicht salzigen Waldgeruch seines Rasierwassers wahr.
    »Also, meine Frau und ich haben seit Jahren kein Sexualleben mehr. Riitta hat mir zu verstehen gegeben, dass sie nichts dagegen hat, wenn ich meine Bedürfnisse anderweitig befriedige, solange nichts an die Öffentlichkeit dringt und sie dadurch nicht behelligt wird. Das Problem war nur, dass ich nicht wollte. Ein Mann in meiner Position muss bei der Wahl seiner Geliebten vorsichtig sein, und Prostituierte fand ich schon immer erbärmlich, mit ihnen wollte ich nichts zu tun haben.«
    Saarnio unterbrach sich und bat um ein Glas Wasser. Ich holte eine Flasche aus meinem Schrank und goss ihm ein, obwohl ich nicht wusste, ob das Wasser noch frisch war. Nass war es auf jeden Fall.
    »Im letzten August lernte ich Oksana kennen. Wir hatten Gäste aus unserer Schweizer Tochterfirma, die hielten es für selbstverständlich, nach dem Abendessen Damengesellschaft geboten zu bekommen. Das ist seit ewigen Zeiten so üblich. Im Allgemeinen war einer unserer Vizegeschäftsführer dafür zuständig, weil er ein gewisses Interesse für dieses Milieu hat. Das ist ja keineswegs ungewöhnlich. Je mächtiger ein Mann, desto mehr Frauen muss er haben, so denkt man immer noch.« Saarnio lächelte flüchtig und trank noch einen Schluck Wasser. Dann wischte er einen Schweißtropfen ab, der sich in der Stirnfalte eingenistet hatte.
    »Wir haben den Abend in der Repräsentationssauna der Firma verbracht, wobei allerdings nur einige Finnen tatsächlich in der Sauna selbst gewesen sind. Oksana war eins der eingeladenen Mädchen. Sie sprach nur wenig Englisch, und die Schweizer zogen die sprachkundigeren Mädchen vor. Einer meiner Untergebenen war völlig betrunken – er wurde übrigens bald darauf entlassen, weil er sich weigerte, an AA-Treffen teilzunehmen – und hat Oksana geschlagen. Ich habe mich eingemischt und durchblicken lassen, das Mädchen gehöre mir, und da musste er als mein Untergebener natürlich nachgeben. Ich spreche Russisch, denn ich gehöre zu der Generation, die unter Präsident Kekkonen im Osthandel aktiv war und gelernt hat, dass man ohne Dolmetscher manchmal besser fährt. So fing es an, obwohl in dieser Nacht noch nichts passiert ist. Ich habe mich nur auf dem Balkon mit Oksana unterhalten und sie dann nach Hause gebracht.«
    »Wo wohnte sie?«
    »Die Mädchen hatten eine gemeinsame Wohnung, zuerst in Punavuori, dann in der Nähe des Espooer Zentrums, aber ihre Kunden haben sie mal hier, mal dort empfangen. Die Vermittler schließen viele kurzfristige Mietverträge ab, angeblich für Saisonarbeiter. Ich habe mich mit Oksana in Hotels getroffen. Was für ein dummes Gefühl das war, durch die Hotelflure zu schleichen, immer in der Angst, erwischt zu werden!«
    Der berüchtigte Sanierer und die attraktive junge Frau – es fiel mir nicht schwer, mir die Schlagzeilen auszumalen. Es wäre ein saftiger Skandal gewesen: Der bestgehasste Mann Finnlands betrügt seine Frau, die als Regisseurin

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