Wer sich nicht fügen will
sich auf den Weg nach Keilaniemi, in das Hauptkontor seines Unternehmens, während ich völlig benommen von dieser neuen Wende an meinem Schreibtisch sitzen blieb. Arto Saarnio hatte uns ein Tatmotiv für seine Frau geliefert, ein zwar dünnes, aber plausibles Motiv. Ich musste möglichst bald einen Vernehmungstermin ansetzen.
Oder nutzte er mich etwa doch aus? Ließ er sich von mir die Schmutzarbeit abnehmen, nachdem er es nicht über sich gebracht hatte, seiner Frau zu beichten, dass er fremdging? Aber gut, ich wurde ja dafür bezahlt, die dunklen Winkel der Menschen auszuleuchten.
Ich bat den Kommissar der Schutzpolizei, einen Streifenwagen ins Espooer Zentrum zu schicken. Mir lag viel daran, mit Svetlana und anderen Kolleginnen von Oksana Petrenko zu sprechen. Aus dem Frauengefängnis in Hämeenlinna war inzwischen die Bestätigung gekommen, dass jene Iines, die vor einigen Jahren für Lulu gearbeitet hatte, zumindest seit ihrer Inhaftierung keinerlei Kontakt zu ihrer ehemaligen Chefin gehabt hatte.
Als ich gerade zum Mittagessen gehen wollte, rief Montonen an und berichtete, dass Sulonen sich zwei Rippen gebrochen hatte, aber nicht im Krankenhaus bleiben musste.
»Sollen wir ihn zu euch bringen? Er sitzt jetzt mit Konkola in der Minna, teilnahmslos und leicht benebelt von den Medikamenten. Er sagt andauernd, er hätte gar nichts getan.«
»Wenn ihr Zeit habt, zu uns rauszufahren.«
»Viel Zeit haben wir nicht«, antwortete Montonen, »aber Transporte sind nun mal unser Spezialgebiet. Nächste Woche sollen Konkola und ich eine Gruppe ausgewiesene Kurden in die Türkei zurückbringen. Da springt sogar eine Übernachtung raus. Und vielleicht reicht die Zeit, um am Strand ein bisschen Sonne zu tanken.«
Von meinem Fenster aus fiel der Blick auf die dahinschmelzenden Schneewälle an der Ausfallstraße nach Turku. Schon im Januar hatten die Weidenbüsche die ersten Kätzchen hervorgebracht, und nun kamen täglich neue hinzu. Mein knurrender Magen erinnerte mich daran, dass ich seit dem Frühstück bei Nordström nichts mehr gegessen hatte. Ich klopfte bei Ursula an, doch da sie nicht in ihrem Zimmer war, ging ich allein in die Cafeteria. Dort fand ich sie dann mit Kaartamo an einem Tisch. Die beiden schienen sich gut zu amüsieren. Kaartamos Gesicht war vor Eifer gerötet, Ursula lächelte strahlend. Ihr weit ausgeschnittener Pullover ließ eine schön geformte Schulter frei.
Zum Glück winkten Liisa Rasilainen und Mira Saastamoinen, die an ihrem Lieblingstisch unter dem Gummibaum saßen, mir zu. Ich setzte mich mit meiner Möhrencremesuppe zu ihnen und bemühte mich, nicht an Ursula und Kaartamo zu denken. Liisa berichtete von einem Fall häuslicher Gewalt, mit dem sie sich am Vormittag beschäftigt hatte: Erzieherinnen hatten am Körper eines dreijährigen Jungen Prellungen entdeckt und die Polizei alarmiert.
»Mutter und Stiefvater sind beide arbeitslos. Sie machen offenbar ständig Hamsterfahrten nach Estland, jedenfalls standen in der Wohnung Hunderte von estnischen Bierdosen. Wir haben die Familie bei der Kinderfürsorge gemeldet, ihr bekommt dann die Akte für die weiteren Ermittlungen«, sagte sie. »Wie kommst du mit dem Mordfall voran?«
Ich hatte immer wieder versucht, Liisa und Mira für mein Dezernat abzuwerben. Beide waren kompetente, zupackende Frauen mit Sinn für Humor. Mira, die vor einiger Zeit aus dem Mutterschaftsurlaub zurückgekehrt war, klagte über ihre schlechte Kondition.
»Wenn der Schnee doch endlich schmelzen würde! Ich habe solche Lust, wieder Fußball zu spielen«, seufzte sie. Liisa und ich nickten. Der Frauenfußballclub des Präsidiums war meine Kraftquelle, ohne gewichtigen Grund versäumte ich kein einziges Spiel.
Ursula kicherte immer noch mit Kaartamo, als ich an ihrem Tisch vorbeikam. Ich sagte ihr, Sulonen sei vernehmungsfähig und seine Befragung solle möglichst bald stattfinden.
»Aber Ville ist doch beim Zahnarzt. Es wird den ganzen Nachmittag dauern, hat er gesagt. Und ich wollte … Andererseits würde ich mir den Burschen liebend gern nochmal vorknöpfen, nachdem er versucht hat, uns mit seiner Geschichte von der Russenmafia hinters Licht zu führen.«
»Frau Honkanen zeigt Eigeninitiative«, lobte Kaartamo. Ich dachte an den halb fertigen Vortrag auf meinem Schreibtisch, seufzte und sagte dann, ich würde Sulonen gemeinsam mit Ursula vernehmen.
»Das Reden übernehme ich aber!«, meldete Ursula ihre Ansprüche an. »Letztes Mal hatte ich einen ganz guten
Weitere Kostenlose Bücher