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Wer sich nicht fügen will

Wer sich nicht fügen will

Titel: Wer sich nicht fügen will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Letholainen
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kann ich ihm bringen.«
    »Und hier ist die Schmerztablette, die ihm der Arzt verschrieben hat. Falls er vor Schmerzen nicht einschlafen kann, soll er außerdem ein Schlafmittel bekommen«, erklärte Koskinen. Sein Vetter Sakke war Kommissar in Tampere. Ich verstand mich gut mit ihm und freute mich immer, wenn ich ihn bei Seminaren oder Tagungen traf.
    Nach der fünften schlaflosen Nacht wäre Sulonen vielleicht reif auszupacken, aber Schlafentzug war Folter. Dazu wollte ich mich nicht hergeben, und auch gegen ärztliche Anordnungen wollte ich nicht verstoßen. Ich nahm den Saft und die Schmerztablette, Koskinen schloss die Zellentür am Ende des Flurs auf. Ich war bisher erst einmal in dieser Zelle gewesen, erinnerte mich aber gut an sie, weil ein Häftling seine Version von Hugo Simbergs Gemälde »Der verwundete Engel« an die Wand gekritzelt hatte. Das Ergebnis erinnerte eher an drei dahintaumelnde Betrunkene, passte aber gerade deshalb hervorragend in seine Umgebung. Neben diesem Kunststück prangte das übliche Sammelsurium an obszönen Zeichnungen, Bibelsprüchen und Flüchen.
    Sulonen lag zugedeckt auf der Pritsche, setzte sich jedoch mühsam auf, als er die Tür aufgehen hörte.
    »Hallo, Tero. Ich bringe dir deinen Saft und eine Schmerztablette. Warum bist du im Bahnhofstunnel eigentlich weggerannt? Der Sprung hätte schlimm enden können.«
    »Ich hab seit Lulus Tod nicht eine Minute geschlafen. Ich seh alles wie durch einen Schleier, und ich kapier nicht … Ich kapier überhaupt nichts mehr. Was habt ihr in unserem Wagen gefunden? Irgendein Gift?«
    »Sagt dir der Name Oksana Petrenko etwas?«
    Sulonen überlegte kurz, dann nickte er.
    »Ist das nicht die blonde Puppe aus Russland, die irgendwer krankenhausreif geprügelt hat? Ja, Lulu hat sie gekannt, sie hat irgendwas gesagt, als sie in der Zeitung davon gelesen hat.«
    »Was genau?«
    »Die verdammten Scheißkerle, irgendwas in der Art. Sie hat sogar überlegt, ob sie mit den Bullen sprechen soll, aber dann … Sie hat sich nicht getraut, verdammt nochmal! Aber vielleicht hat sie es später doch gemacht, und deswegen haben die Kerle sie umgebracht …« Er fuchtelte mit dem Arm und begriff erst den Bruchteil einer Sekunde später, wie schmerzhaft die Bewegung war.
    »Ganz ruhig, Tero! Hat Oksana irgendwann mal in eurer Firma gearbeitet?«
    »Nein! Lulu hat keine Russinnen eingestellt. Zu riskant. Aber diese Oksana war mal bei uns, sie wollte irgendwas über die finnische Polizei wissen. Lulu hat Englisch mit ihr gesprochen, deshalb habe ich nicht so genau verstanden, worum es ging. So war Lulu, immer bereit, Kolleginnen zu helfen, obwohl sie stolz darauf war, als selbständige Unternehmerin zu arbeiten. Die anderen Mädchen, die für Zuhälter anschaffen, können sich ihre Kunden nämlich nicht aussuchen.«
    Sulonen trank seinen Saft aus. An der Wand über seinem Kopf stand: »Marko wieder hier, hat Sehnsucht nach seinem Schatz und den Kids. Sorry, hab wieder Mist gebaut.« Das Datum lag sieben Jahre zurück. Die Wände wurden selten gestrichen, weil sie sowieso gleich wieder bekritzelt wurden. Vielleicht boten die Inschriften den Häftlingen Zerstreuung; ich las sie jedenfalls mit Interesse. Als Studentin hatte ich mich jedes Mal geärgert, wenn die Toilettensprüche übertüncht worden waren. Ich selbst hatte Mitte der achtziger Jahre auf der Damentoilette im Hauptgebäude der Universität ein paar Zeilen aus dem Song »Akademikerjüngling« von Pelle Miljoona an die Wand gekritzelt. Zu dem Zeitpunkt war ich bereits ausgebildete Polizistin und Jurastudentin gewesen und hatte es für nötig gehalten, gegen meine Rolle zu rebellieren.
    »Hast du meine Gedichte gelesen?«, fragte Sulonen plötzlich und sah mich flehend an. »Hat die Polizei sie mitgenommen? Bekomme ich sie zurück?«
    »Natürlich, wir lesen sie nur durch«, beruhigte ich ihn und verspürte Mitleid mit Puustjärvi, dem diese Aufgabe zugefallen war. Er sollte die Gedichte überfliegen, um festzustellen, ob sie womöglich neben Liebesschwüren auch Drohungen gegen die Muse enthielten. Sulonen war letztlich unser Hauptverdächtiger.
    »Lulu … Lulu durfte nur die besten lesen. Was kann ich dafür, dass mir dauernd Gedichte eingefallen sind? Das ließ sich einfach nicht bremsen.«
    »Dichten ist ein schönes Hobby«, sagte ich zerstreut. Ich dachte immer noch an Oksana. Hatte sie Lulu wegen Lasse Nordström um Rat gebeten? Sulonen redete weiter, doch ich war einen Moment unaufmerksam und

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