Wer sich nicht wehrt...
Aber ich kann verlangen, daß man alle verdächtigen Personen oder Institutionen jetzt unter die polizeiliche Lupe nimmt …«
»Dazu gehören aber auch – Verzeihung, Herr Professor – Ihr eigenes Institut, die Biosaturn und die Kliniken von Hannover«, sagte Tenndorf.
»Selbstverständlich. Alle, ohne Ausnahme und ohne Ansehen der Person oder des Namens. Obwohl es absurd ist, in meinem eigenen Institut …«
»Wer kauft bei Ihnen die Versuchstiere ein?« fragte Abbels.
»Mein Laborleiter.«
»Und Sie kennen den oder die Lieferanten?«
»Nein …« Sänfter gab die Antwort sehr gedehnt. »Ich habe mich darum noch nie sonderlich gekümmert. Es heißt aber immer, daß es einwandfreie Tiere sind.«
»Das ist ein dehnbarer Begriff, Herr Professor.«
»Ich werde das alles morgen selbst überprüfen, meine Herren.« Sänfter schwieg. Das Hausmädchen mit den verheulten Augen brachte auf einem Tablett Wein und Weingläser in die Bibliothek. Sänfter verteilte die Gläser und goß ein.
»Wie geht es meiner Frau?«
»Sie schläft, Herr Professor.« Das Mädchen stellte eine große Schüssel mit Knabbergebäck auf den Tisch. »Die Klinik hat vorhin angerufen. Eine Bauchspeicheldrüsenentzündung, ob Sie selbst …«
»Sagen Sie, daß sich Oberarzt Hülmer darum kümmern soll.«
»Jawohl, Herr Professor.« Das verheulte Mädchen verließ schnell die Bibliothek.
Sänfter erhob sein Glas. Wortlos trank jeder einen Schluck. »Was wird die Staatsanwaltschaft tun?« fragte Sänfter dann zu Dallmanns gewandt.
»Wir werden alle Möglichkeiten und Mittel ausnutzen.« Oberstaatsanwalt Dallmanns beugte sich zu Abbels vor. »Eine Sonderkommission halte ich für zu aufwendig, aber, Herr Kommissar, man sollte alle bekannten Fälle als Ganzes sehen und massiv vorgehen. Ich werde Herrn Staatsanwalt Holle damit betrauen …«
Wie er's geahnt hat, dachte Tenndorf fast amüsiert. Wenn Sie, meine Herren, wüßten, was ich jetzt weiß … und was in den nächsten Tagen geschehen wird …
»Ich glaube«, sagte er, stand auf und trank sein Glas leer, »ich kann hier wenig nützen. Aber ich kann bis zum Abend noch meinen Bekannten bitten, auf die Anzeige zu reagieren.« Er blickte wieder auf den Zeitungsausriß. »Angegeben ist nur eine Telefonnummer …«
»Die wir natürlich angerufen haben«, sagte Abbels. »Wer meldet sich: ein Herr Schulte. Davon gibt es Hunderte im Raume Hannover. Er wollte nähere Angaben, ich schilderte ihm einen Dobermann. Er verlangte meine Telefonnummer und versprach, wieder anzurufen. Das war gestern. Bis heute kein Anruf.«
»Vielleicht habe ich mehr Glück.« Tenndorf verabschiedete sich, und Sänfter brachte ihn bis vor die Tür.
»Wer war denn das?« fragte Dallmanns, als Sänfter zurückkehrte.
»Mein Architekt.«
»Ein unsympathischer Mensch mit Revoluzzereigenschaften. Trenn dich von ihm, Hans.«
»Er ist ein Könner in seinem Fach. Das Haus hier hat er entworfen …«
»Trotzdem. Es gibt eine Menge guter Architekten. Es muß nicht gerade einer aus der immer demonstrierenden Generation sein.«
»In vielem hat er recht, Johannes.« Sänfter setzte sich neben seinen Freund, den Oberstaatsanwalt, schenkte wieder Wein ein und bot Zigarren an. »Wenn für Wimperntusche oder Lidschatten-Cremes Tausende von Tieren sterben müssen, protestiere ich auch! Da schließe ich mich jedem Protestmarsch an … unterm Transparent, im weißen Arztkittel!«
»Ich kenne dich nicht wieder, Hans«, sagte Dallmanns erstaunt und sog an der dicken Zigarre. »Wenn man es so sieht, wenn man unsere Welt so kritisch betrachtet, hätte jeder einen Grund, gegen irgend etwas zu protestieren. Jeder! Keiner könnte mehr arbeiten, nur noch protestieren. Um in unserer Welt leben zu können, muß man vieles hinunterschlucken.«
»So denkt der Bequeme, Johannes.« Prof. Sänfter nickte mehrmals. »Deshalb freut es mich, daß jetzt Generationen heranwachsen, die unbequem sind.«
Von Sänfters Herrenhausener Villa fuhr Tenndorf geradewegs zu Steffen Holle in das Büro der IMPO in der Harvelust-Straße. Er hatte Glück. Holle war da und mit ihm Angelika Rathge, seine rechte Hand, Verlobte und Dauerprotestlerin.
Tenndorf erkannte sie sofort wieder. Ihr Bild war schon in den Zeitungen gestanden, auch das Fernsehen hatte sie bei Protestmärschen oft gezeigt. Dabei sah sie immer etwas verwegen aus, mit Parka, Schal und Wollmütze, Jeans und dicken Schuhen. Heute machte sie einen ganz anderen Eindruck … sie trug ein festliches,
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