Wer sich nicht wehrt...
erklärte, Lutz sei kein Vorname, nein, er heiße mit Nachnamen Lutz. Eberhard Lutz. Förster im Staatlichen Forstamt Hannover.
»Steffen hat mich genau unterrichtet«, sagte er. »Ich stelle Bravo ungern zur Verfügung, das werden Sie verstehen, das Risiko ist groß. Aber wenn ich damit helfen kann, einen dieser Verbrecher zu entlarven, zögere ich nicht. Ich bringe Ihnen Bravo morgen früh, so gegen neun Uhr. Recht so?«
»Einverstanden. Bravo ist bereits verkauft …«
»An diesen angeblichen Hundeliebhaber? Was zahlt er denn?«
»Ich habe ihn für fünfhundert Mark verkauft.«
»Sind Sie verrückt?! Unter dreitausend – mindestens – geht er nicht weg!«
»Herr Lutz, ich mußte den Dämlichen spielen, sonst wäre das Geschäft geplatzt. Bei dreitausend wäre der nie eingestiegen. Aber so, glaubt er, hat er einen Naiven gefunden – und das ist gegenüber diesem Profi unsere beste Tarnung. Ich habe sogar gesagt, uns sei der Hund geschenkt worden. Bei fünfhundert Mark bin ich in einen Jubelschrei ausgebrochen. Morgen mittag holt er Bravo ab …«
»Das sehe ich mir an! Da warte ich gegenüber von Ihnen auf der Straße und fahre dem Burschen nach. Wo er ihn auch hinbringt … ein Pfiff von mir, und keiner hält Bravo mehr fest! Der beißt sich seinen Weg frei …«
»Dann wäre ja alles bestens organisiert. Wenn wirklich Wulpert hinter der Anzeige steckt, kann gar nichts passieren! Bei Wulpert wartet Fabricius auf Bravo, und Laurenz wird ihn betreuen. Keine Sorge, Herr Lutz.«
»Die habe ich nie gehabt. Dafür kenne ich Steffen zu gut. Was er anpackt, ist bis ins Letzte durchdacht.«
Tenndorf war sehr zufrieden, aber seinen Grog hatte er noch immer nicht. Er winkte Wiga zu und erhob sich von der Couch. »Komm, Kleines«, sagte er scheinbar resignierend. »Zieh den Mantel an. Wir gehen hinüber in die ›Heide-Stuben‹. Dort wird man uns wohl einen schönen heißen Grog machen …«
»Kaum hat man ja gesagt, wird man mit Ehemann-Manieren konfrontiert!« Carola Holthusen ging zur Küchentür und tat beleidigt, aber sie spielte es sehr schlecht. »Der Herr wird doch wohl noch zehn Minuten warten können …«
»Und viel Rum!« rief Tenndorf ihr nach. Er lachte und zog Wiga an sich. »Ist das nicht eine fabelhafte Tante, Kleines?«
»Oder eine neue Mutti …« Sie blinzelte ihren Vater wichtigtuend an. »Mike und ich haben nichts dagegen!«
Pünktlich um neun Uhr am nächsten Morgen brachte Eberhard Lutz seinen Hund Bravo. Er war ein Prachtexemplar von Vorstehhund, groß, mit klugen braunen Augen, sanft und doch im Blick wachsam und kritisch. Tenndorf durfte ihn streicheln, und Eberhard Lutz war sehr zufrieden.
»Er hat Sie angenommen, Herr Tenndorf«, sagte er. »Das ist gar nicht so selbstverständlich. Bravo hat ein unheimliches Gespür für Menschen. Sie sind ihm anscheinend ausgesprochen sympathisch.«
»Welche Ehre!«
»Das kann man wohl sagen. Auch mir wird es dadurch leichter ums Herz. Also: Ab Mittag warte ich mit meinem Wagen drüben auf der anderen Straßenseite. Laurenz und Fabricius stehen schon auf Lauer, ob wirklich Wulpert dahinter steckt. Wenn nicht, bleibe ich auf der Fährte. Bravo wird keine Minute allein sein.« Er gab Tenndorf die Hand und schüttelte sie. Bravo sah ihnen stumm, aber voll Interesse zu. »Viel Glück.«
»Ihnen auch, Herr Lutz.«
Tenndorf wartete, bis Lutz das Haus verlassen hatte, und ging dann zu Bravo zurück, der im Wohnzimmer geblieben war. Wie würde der Hund jetzt reagieren, jetzt, wo sein Herr weggegangen war und er in einer fremden Umgebung allein gelassen worden war? Begann er zu heulen, wurde er aggressiv oder flüchtete er sich in eine stumme Melancholie? Was ging jetzt in der Seele und im Gehirn dieses Hundes vor?
Carola, als Frau immer praktisch denkend, kam zunächst mit einem Teller voll rohem Goulaschfleisch. »Für das, was noch kommt, hast du eine Stärkung nötig«, sagte sie, als sie den Teller vor Bravo auf den Boden setzte. »Hoffentlich geht alles gut.«
Bravo betrachtete den Fleischteller, hob schnuppernd die Nase, berührte aber das Goulasch nicht. Ein gut erzogener Hund nimmt nur von seinem Herrn das Essen an, auch wenn die anderen Menschen noch so freundlich und sympathisch sind. Er wandte sich ab, drehte dem lockenden Fleisch den Rücken zu und legte sich Tenndorf, der in einem Sessel saß, zu Füßen. In der Hundesprache hieß das: Ich vertraue dir.
Um zwölf Uhr mittags kamen Wiga und Mike aus der Schule. Carola hatte eine
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