Wer sich nicht wehrt...
schnell, daß er sich verhaspelte und Tenndorf Mühe hatte, alles zu verstehen.
»Etwas Schreckliches ist passiert … meine Frau ist außer sich … sie hat einen Herzanfall bekommen … Regina ist nicht zu beruhigen … und auch ich bin völlig fertig … ich verstehe das alles nicht … Herr Tenndorf, bitte kommen Sie zu mir, nein, nicht in die Klinik, nach Hause. Versuchen Sie, Regina zu erklären, was auch Ihnen passiert ist, daß ich nicht die geringste Schuld daran habe … daß wir Opfer von gewissenlosen Schurken geworden sind … Hören Sie mich noch?«
»Aber ja, Herr Professor. Ich komme sofort zu Ihnen. Aber erklären Sie mir bitte erst, was überhaupt geschehen ist.«
»Ich sage es doch schon die ganze Zeit … Arras ist weg … Verstehen Sie, Arras, mein prämiierter Schäferhund! Man muß ihn gestohlen haben, aus dem Vorgarten. Er war gerade fünf Minuten draußen … der Gärtner hat noch den Motor eines Autos gehört. Ich kann es noch gar nicht fassen … Verstehen Sie das?«
»Und wie gut ich das verstehe, Herr Professor.« Tenndorf starrte an die Decke. »In zwanzig Minuten bin ich bei Ihnen.« Fast hätte er hinzugesetzt: »Trösten Sie sich vorerst mit dem Gedanken, daß Ihr Arras vielleicht maßgeblich an der Bekämpfung von AIDS teilhaben wird …« Aber er unterdrückte es.
9
Selbstverständlich fuhr Horst Tenndorf sofort zu Prof. Sänfter.
Die schwere kupferne Eingangstür, ein Spezialentwurf von Tenndorf für die exklusive Villa, wurde von einem Hausmädchen mit verheulten Augen geöffnet. »In der Bibliothek, Herr Tenndorf«, stammelte sie und begann wieder zu weinen. »Die Herren sind in der Bibliothek …«
Tenndorf nickte. Den Weg kannte er, er hatte ja das Haus gebaut. Die Herren? Wen hatte Sänfter noch kommen lassen? Er klopfte an die Tür der Bibliothek und trat ein. Prof. Sänfter kam ihm mit ausgestreckten Händen entgegen, als kehre ein Vermißter heim. Im Raum saßen Kommissar Abbels und ein älterer Herr mit weißem Haar, den Tenndorf nicht kannte.
Bitterkeit stieg in ihm hoch, als er Abbels ansah. Wenn der Hund eines so bekannten Mannes wie Sänfter verschwand, kam die Kripo sogar ins Haus. Da hieß es nicht: »Wir raten Ihnen, kaufen Sie sich einen neuen Hund.« Da wurde plötzlich ein ›Fall‹ daraus.
Tenndorfs Verbitterung steigerte sich noch, als Sänfter den weißhaarigen Herrn als Oberstaatsanwalt Johannes Dallmanns vorstellte. So also ist das, dachte er verbiestert. Ein Professorenhund ruft sogar die Staatsanwaltschaft auf den Plan … der Bastard eines kleinen Jungen und die Katze eines kleinen Mädchens sind höchstens ein paar billige Worte wert. So ist es überall in unserer Gesellschaft: Bist du was, dann bekommst du was; bist du aber ein Unbekannter …
»Ich habe meiner Frau eine Spritze geben müssen«, sagte Sänfter leise zu Tenndorf. »Sie ist völlig mit den Nerven fertig.«
»Das waren Wiga, meine Tochter, und Mike auch …« Tenndorf sah Kommissar Abbels voll an. »Ich nehme an, Sie haben Herrn Professor Sänfter geraten, sich einen neuen Hund zu kaufen.«
»Nein. Wir …« Abbels räusperte sich verlegen. »Die Häufung der Tierdiebstähle ist mittlerweile so bedrohlich, daß wir massiv eingreifen müssen. Der Herr Oberstaatsanwalt …«
Tenndorf nickte und wandte sich Johannes Dallmanns zu. »Sie haben doch bestimmt schon Herrn Professor Sänfter den Unterschied zwischen Mensch und ›Sache‹ erklärt.«
»Ich weiß nicht, was Sie damit meinen, Herr Tenndorf!« erwiderte Dallmanns steif.
»Was hat das hier für eine Bedeutung? Auch ein Perserteppich ist eine Sache, und wenn man ihn stiehlt, ist es unsere Pflicht, den Dieb dingfest zu machen.«
»Ich habe da etwas von Wertmaßstäben gehört …«
»Arras war ein prämiierter Rassehund!« rief Prof. Sänfter anklagend.
»So ist es!« unterstrich Oberstaatsanwalt Dallmanns.
»Dann stellen wir also klar: Ein prämiierter Rassehund ist einem Perserteppich gleichzusetzen, ein Straßenbastard einem alten Scheuerlappen. Sehe ich das so richtig, meine Herren?«
»Es ist doch müßig, jetzt darüber zu diskutieren!« Dallmanns verzog sein Gesicht zu einer gequälten Grimasse. »Wenden wir uns doch der Realität zu: Am hellichten Tag wird ein Hund aus einem Villenvorgarten gestohlen …«
»… wobei Villa sehr wichtig ist!« unterbrach Tenndorf etwas gehässig.
»… der Gärtner hört nur noch das Anfahren eines Wagens und erklärt – er ist ja auch als Chauffeur beschäftigt –, daß
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