Wer spart, verliert
nur mit fallenden Preisen rechnen. Unser Verstand ist auf Einsparungen trainiert und fokussiert und hat kaum noch einen Gedanken frei, um in Alternativen zu denken, die unweigerlich zu mehr führen würden.
Selbstbewusst geizen wir über jedes Maß an gesundem Sparverhalten hinaus weiter. Obwohl selbst auferlegter Geiz bisher auch noch nie ein erstrebenswertes Ziel für uns war, hat Geiz an Wert sichtlich gewonnen. Unserem Gefühl wird es beim Anblick von Geiz nie wirklich gut gehen, ganz gleich, wie sehr unser Verstand inzwischen schon glaubt, dass Geiz doch noch »geil« sein könnte, nur weil es uns aus Werbezwecken zugerufen wurde.
Geiz ist der gelebte Ausdruck der eigenen mangelnden Anerkennung und Wertschätzung. Ein Satz wie »Das kann ich mir nicht leisten« sagt: »Das bin ich nicht wert.« Wir sehen es nicht gern, wenn jemand an sich spart. Auch wollen wir nicht an uns sparen und schon gar nicht, dass an uns gespart wird. Oder glauben Sie, Ihre Freude verdoppelt sich, wenn Ihr Partner Sie fragt, ob Sie ihn heiraten wollen, und Ihnen einen Ring überreicht, den er – »Keine Sorge, mein Schatz« – ganz billig im Internet erhaschen konnte? Auch wenn es nicht gleich ums Heiraten geht: Wir fühlen uns nicht mehr geliebt oder geschätzt, nur weil es billiger wird oder weil wir billiger werden …
Was sehen Sie bildlich vor sich, wenn Sie sich einen geizigen Menschen vorstellen? Einen Menschen, der sich zufrieden mit sich und der Welt mit Leichtigkeit und Lebensfreude bewegt? Oder einen Menschen, der sich verkrampft, dessen Gesichtszüge sich in Falten legen und der in seinen Bewegungen eingeschränkt und begrenzt wirkt? Wie wollen Sie gesehen werden?
Sehr wahrscheinlich nehmen wir die Diskrepanz, die dies in uns auslöst, nicht wahr. Wir fühlen angesichts vorhandenem Geiz die Enge, Verkrampfung, Angst, Scham, den Minderwert und das damit verbundene Kleinsein. Doch nun setzt unser durch Dauerwerbung erfolgreich trainierter Verstand ein und versucht uns davon zu überzeugen, dass das auch noch toll sei.
Geiz beruht auf Angst. Er bezieht seine Motivation, geizig zu sein, aus der tiefen Angst, nicht ausreichend zu besitzen. Je größer die existenziellen Ängste sind, desto ausgeprägter wirkt sich bei den Menschen der Geiz aus. Und der Geiz selbst bedient unsere Ängste weiter. Umso stärker, je mehr wir uns bestätigt finden, dass es immer noch nicht reicht. Das ist eine Dynamik, die sich besonders verheerend für Menschen auswirkt, die bereits aus einer bestehenden Not heraus glauben, geizen zu müssen. Sie verhindern dadurch mehr Geld, einen freudvolleren Umgang damit und ein positiveres emotionales Empfinden.
Geiz hat nichts mit der Menge an vorhandenem Geld zu tun, sondern existiert losgelöst von der eigenen finanziellen Situation. So sind auch sehr reiche Menschen nicht von Geiz befreit. Sie leiden genauso – trotz ausreichendem Vermögen – bei jeder Ausgabe, ärgern sich über kleinste Reparaturen und die damit verbundenen Kosten und verkrampfen, wenn es ihnen »an den Geldbeutel geht«. Ohne die Freude und Zufriedenheit über die Reparatur oder den wiedererlangten Wert – und ohne die fühlbare Wertschätzung für den Menschen, mit der sie nicht nur gerne ihr Geld weitergeben, sondern sich selbst mit freuen würden.
Solange der Geiz noch in uns sitzt, sind wir nicht frei von den damit verbundenen Ängsten vor einem »weniger« oder davor, dass andere hinter dem eigenen Geld her seien, oder davor, dass all das Geld und Vermögen zwischen den Fingern zerrinnt, sobald man aufhört, es krampfhaft zusammenzuhalten. Gelebter Geiz spart uns Gefühle wie Vertrauen, Leichtigkeit, Freude, Zufriedenheit über all das, was wir durch gerne gegebenes Geld erlangen. Wir sparen uns Größe und Großzügigkeit.
Durch Einsparungen versprechen wir uns mehr Geld. Mehr Geld, von dem wir uns mehr Erfüllung und Glückerhoffen. Erfüllung und Glück, welche wir selbst auf dem Weg zu mehr Geld freiwillig und großzügig mit einsparen. Wir sind uns, unserem Geiz und unserer Gier zum Opfer gefallen. Unsere Sparsamkeit bringt am Ende nicht das versprochene und erhoffte Mehr. Wir sparen uns arm.
Wertorientiertes Handeln scheint sich nicht zu lohnen, weil es komplex ist, sich langfristig orientiert und gerade die kurzfristigen Gewinne, die günstige Preise versprechen, nicht realisieren kann. Doch so langsam zeichnet es sich ab: Das, was »billig« verspricht, wird nicht von »billig« erfüllt. »Billig« ist eine
Weitere Kostenlose Bücher