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Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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sich wieder in einen sinnestoten Raum. Er wartete auf den nächsten Anssturm, und die Erwartung ließ nur noch ein Gefühl gelten: tierische Angst.
    Timothy hatte keine Vorstellung, wie viele Wellen von Nichts und Überreiz über ihn hinweggerollt waren, als Devlin sich wieder einschaltete. Es erschien ihm, als seien Ewigkeiten vergangen. Devlin sah auf den Communicator an seinem Tisch.
    »Zwei Minuten und vierundzwanzig Sekunden. Was, glauben Sie, bleibt von Ihnen übrig, wenn ich Sie eine halbe Stunde schocke? Nun, was fällt Ihnen zu Bruder ein?«
    Timothy starrte ihn an. Er war bereit, alles zu sagen. Er quälte sich, doch er stammelte nur »Bru-der«. Immer wieder: »Bru-der.« Er zermarterte sein Gehirn, was das sein mochte. »Ich sehe, Sie brauchen eine Pause«, sagte Devlin. »Aber ich erkenne an, daß Sie sich jetzt Mühe geben. Nur Mut, es wird schon werden.«
    7.
    Diesmal öffnete sich die linke Wand, von Devlin aus gesehen, seinem einzigen Orientierungspunkt. Statt der winzigen Doppelkammer vom Morgen erwartete ihn ein Bad mit Wanne und einem Toilettenbecken statt des stinkenden Kübels, und auf dem Badewasser schwamm lockender blauer Schaum. Das Baden tat ihm unendlich gut. Da er jedes Zeitgefühl verloren hatte, wußte er nicht, wie lange er schon in dem Wasser lag, als ein Gong ertönte. Er stand auf, frottierte sich mit dem bereitliegenden Badetuch, sah sich um; nirgendwo lagen Kleidungsstücke. Er überlegte, ob er das Badetuch umbinden sollte, legte es dann aber betont diensteifrig zusammen und hängte es über den Wannenrand.
    Ein Teil der Wand glitt zur Seite und gab einen kleinen, aber behaglich eingerichteten Raum frei; ein weißgedeckter Tisch erwartete ihn, Porzellanteller, Silberbesteck, ein geschliffenes Glas und eine Karaffe mit Orangensaft. Drei Schüsseln standen auf Wärmeplatten bereit. Als Timothy die Deckel anhob und den Duft einsog, glaubte er zuerst, seinen Augen und seiner Nase nicht trauen zu dürfen. Hühnerbouillon mit Algengrießklößchen, süßsaures Schweinefleisch mit Bambusspitzen und Safranreis!
    Sein erster Reflex war: draufstürzen, hineinschlingen. Er zwang sich zur Ruhe, setzte sich langsam auf den Sessel, ließ ihn in die richtige Höhe gleiten, füllte Suppe auf, legte sich die Serviette auf den Schoß und begann gemächlich zu löffeln. Er wollte Devlin nicht den Anblick eines gebrochenen, gierigen Timothy gönnen.
    Nachdem er einen zweiten Teller der vorzüglich gewürzten Suppe verdrückt und sich eine Portion Reis und Fleisch aufgetan hatte und sich ein erstes Gefühl von Sättigung und Wohlbehagen einstellte, verlor er die Angst, dies könne eine neue Folter sein und man würde ihm die Speisen vor der Nase wieder wegnehmen. Einen Augenblick fürchtete er, man könne Drogen unter das Essen gemischt haben, aber wenn sie das wollten, konnten sie ihm die Drogen auch in die Luft mischen. Er widerstand der Versuchung, sich noch eine zweite Portion aufzufüllen, wischte den Mund ab, faltete die Serviette zusammen, trank ein Glas Orangensaft und blickte sich suchend um. Nirgends fand er einen Hinweis, was er jetzt tun sollte.
    Er ließ den Sessel in Liegestellung fahren, schloß die Augen und überlegte: Sollte dies ein Zeichen sein, daß man ihn für gebrochen und redewillig hielt? Egal. Er brauchte die Pause. Er wollte sie bis zur Neige auskosten. Er begann zu zählen. Bevor er die Zehn erreicht hatte, war er eingeschlafen.
    Er wurde mit Musik geweckt. Eine sanfte Stimme bat ihn, wieder hinüberzugehen; tatsächlich, sie bat!
    Devlin empfing ihn mit einem Lächeln. »Nun, hat es geschmeckt? Sie sehen, wir kennen Sie gut. Besser als Sie uns. Wir sind keine Unmenschen. Natürlich, wenn man uns zwingt, können wir auch hart sein. Sie sollten mit uns zusammenarbeiten. Warum auch nicht? Niemand muß es erfahren. Sie verlieren nichts, aber Sie gewinnen dafür unsere Freundschaft und Protektion. Machen wir gleich einen Anfang. Erzählen Sie mir jetzt, was Sie von den Brüdern wissen.«
    »Ich würde ja gerne«, erwiderte Timothy. »Wirklich, Sie müssen es mir glauben, aber ich weiß nichts.«
    Devlins Gesicht veränderte sich kaum, doch seine Stimme schwoll an, brüllte, dröhnte von allen Seiten, daß Timothy die Hände auf die Ohren preßte, vergeblich.
    »Was bilden Sie sich ein, Sie lächerlicher, erbärmlicher Zwerg? Ich zerquetsche Sie zwischen den Fingerspitzen. Was glauben Sie, wer danach fragt, ob Sie jemals wieder hier herauskommen?«
    »Meine Klienten

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