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Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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vielleicht«, versuchte Timothy einzuwenden.
    »Ihre Klienten?« Devlin lachte höhnisch. »Kein Mensch fragt nach Ihnen. Und wennschon –« Er tat, als müsse er nachdenken. »Timothy Truckle? Nie gehört. Wer soll das sein?« Er zeigte mit dem Finger auf Timothy. »Und Sie werden es bald auch nicht mehr wissen. Es sei denn, Sie nehmen jetzt Vernunft an. Sie werden dieses Haus nur als unser Mann verlassen oder als Verrückter.«
    Devlin verschränkte die Arme über der Brust. »Es ist nicht neu, unbelehrbare Staatsfeinde und Unruhestifter für geisteskrank zu erklären und in Irrenhäuser zu sperren; wir allerdings sind rationeller, wir machen sie verrückt und lassen sie laufen.«
    Timothy nickte beeindruckt.
    »Also, was haben Sie mir zum Stichwort Bruder zu sagen?«
    »Bru-der«, wiederholte Timothy nachdenklich, dann schüttelte er den Kopf. »Tut mir leid.«
    »Gleich«, sagte Devlin mit einem Unterton, der Timothy erschauern ließ, »gleich wird es Ihnen leid tun.«
    Timothy wurde von hinten gepackt, auf einen Stuhl gepreßt, angeschnallt, sein Kopf unter einen Helm gesteckt, er konnte nicht sehen, von wem. Devlin zeigte nach rechts. Auf der Videowand war das Bild eines Gehirns zu sehen, das sich langsam drehte; ein Pfeil schwebte über ihm.
    »Wir machen jetzt ein kleines Spiel«, erklärte Devlin. »Sie sind doch ein Spieler, nicht wahr? Hier bekommen Sie, was sonst nur behauptet wird, ein wirklich aufregendes Spiel. Über Ihrem Helm kreist eine Strahlensonde. Jeder Schuß vernichtet hunderttausend Gehirnzellen. Sie können selbst einstellen, wo und in welcher Tiefe eine Ihrer Gehirnpartien vernichtet wird, dazu haben Sie die beiden Hebel unter Ihren Händen. Ich zähle bis null, dann löse ich den Schuß aus. Wir nennen es Idiotenroulett. Zehn – neun –«
    Timothy hatte keinen Zweifel, daß Devlin es ernst meinte. Er versuchte fieberhaft, sich das Schema des Gehirns in Erinnerung zu rufen und zu überlegen, was er am leichtesten entbehren könnte. Die motorischen Zentren vielleicht, die Herrschaft über eines seiner Glieder? Aber dann fiel ihm ein, daß Devlin es in der Hand hatte, wann er null sagte und auslösen wollte, und Devlin war sicher ein Experte in der Bestimmung der Hirnpartien.
    »Acht – sieben – sechs –«
    Lieber ein Ende mit Schrecken, sagte er sich. Er dirigierte den Pfeil, bis er auf das Stammhirn zeigte, dann blickte er Devlin fest in die Augen. »Bitte, seien Sie so freundlich.«
    Devlin grinste. »Das könnte Ihnen so passen.« Er winkte, jemand trat hinter den Stuhl, schnallte Timothy los, nahm den Helm ab; als Timothy sich umdrehte, erblickte er die beiden NSA-Leute, die ihn heute früh aus der Folterkammer angestarrt hatten. Sie stießen ihn zu Boden. »Aufstehen!« brüllte Devlin. »Strammstehen!«
    In den nächsten Minuten geschah nichts, dann spürte Timothy einen immer stärker werdenden bestialischen Gestank hinter sich. Er drehte sich um. Auf der Videowand waren Dutzende von Schüsseln mit verlockend angerichteten Speisen zu sehen, dann auf allen Wänden. Timothy blickte auf den Boden; es sah aus, als stünde er mitten auf einem riesigen Tisch, auf dem die hundert besten Köche der Staaten ihre Meisterwerke aufgebaut hatten. Der Gestank wurde immer furchtbarer. Timothy mußte erbrechen.
    Sofort wandelte sich das Bild. Jetzt stand er zwischen Bergen von Müll und Unrat, gegen die die Muddies von Cleveland geradezu paradiesisch anmuteten, zugleich aber umwehten ihn Wogen der schönsten Düfte, zuerst von Blumen, dann Speisen, dann ein betäubendes Aroma erlesensten Whiskys; Timothy würgte, wieder wechselte das Bild. Jetzt war er rundum von Frauen umlagert, Schönheiten aller Art, die ihn verführerisch anlächelten – und stanken.
    Timothy konnte nicht einmal schätzen, wie lang die Intervalle waren, wie oft das Bild wechselte, er krümmte sich unter dem Brechreiz, der seinen Körper zerreißen wollte. Irgendwann öffnete sich die Wand zur Doppelkammer, und er stellte mit Entsetzen fest, daß er sich beim Anblick des Essens vor Ekel schüttelte und dafür magisch von dem Kübel angezogen wurde. Er stürzte hinaus und preßte sich schluchzend in eine Ecke seines gläsernen Käfigs.
    Es war erst der Anfang. Plötzlich stand alles kopf. Chicago hing verkehrt über ihm, fiel auf ihn hernieder, er glitt durch die Straßen, bis er glaubte, er sei es, der kopfstünde. Dann verlangsamten sich die Töne. Er nahm sie erst wahr, wenn die dazugehörende Bewegung auf dem Bildschirm

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