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Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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längst zum Stillstand gekommen war. Dann kippten die Farben um. Devlin hatte blaue Haut und grüne Lippen, als er sich wieder blicken ließ. Seine Worte schienen Ewigkeiten zu brauchen, bis sie Timothy erreichten.
    »Sie sind kurz vor der Grenze, an der es keine Rückkehr mehr gibt«, tönte er. »Ich gebe Ihnen noch eine Chance: Bruder.«
    »Bru-der?« wiederholte Timothy. Auch seine Töne krochen dahin. Wie gerne hätte er Devlin geantwortet. »Bru-der?«
    »Sie fühlen sich also immer noch stark genug, mir etwas vorzumachen«, schrie Devlin. »Dann weiter im Programm.«
    Von dem nun Folgenden blieben Timothy nur Erinnerungsfetzen, die in den Pausen, wenn man ihn badete oder fütterte, aufwallten und wieder versanken. Er hatte Hunger, aber das Essen verwandelte sich in seinen Fingern in Luft. Das Wasser fror auf seinen Lippen. Er schrumpfte, lief durch einen eigenartigen Wald, wurde davongeweht und erkannte, daß er durch eine Wiese gelaufen war. Sie sägten ihm den rechten Fuß ab. Immer wieder. Ratten krochen in seinen Käfig und preßten sich an ihn. Eine berauschend schöne Blondine kam zu ihm, sprach zärtliche Worte, streichelte ihn; als er sie berühren wollte, griff er in eine schleimige Masse. Ein Glas Whisky auf dem Boden. Timothy hatte nicht mehr die Kraft hinüberzukriechen, er rutschte Zentimeter für Zentimeter an das Glas heran; als seine Fingerspitzen es berührten, kippte es um. Timothy fiel in einen Weinkrampf, dann wurde er ohnmächtig.
    Devlin saß da, als sei nur eine Minute vergangen. Er sah Timothy besorgt, ja mitleidig an. »Ich will Ihnen zeigen, was von Ihnen übriggeblieben ist«, sagte er leise, dann führte er es auf der Videowand vor, einen zuckenden, geifernden, von Krämpfen geschüttelten, grünhäutigen Timothy mit eingefallenem Gesicht und tief in den Höhlen liegenden Augen, ein jämmerliches Wesen, das sich auf dem Boden krümmte, mit irrem Blick seinen eigenen Kot fraß, auf allen vieren herumkroch und auf Befehl bellte, das um Wasser winselte, um seinen Tod flehte. »Zum letztenmal«, sagte Devlin, »Bruder!«
    »Bu-er«, quälte Timothy zwischen seinen aufgequollenen Lippen hervor, Tränen liefen ihm über die Wangen. Er sah Devlin flehend an.
    »Ich glaube, Sie sind tatsächlich schon verrückt«, sagte Devlin enttäuscht und ein wenig ratlos.
    8.
    Timothy glaubte zu träumen, als er die Augen aufschlug. Er lag in einem weißbezogenen Bett, auf seinem Nachttisch standen Rosen und ein Glas Juice. Er griff nach dem Glas und wunderte sich, wie leicht ihm das fiel. Dann nahm er sich den Spiegel, der auf dem Tisch lag, zögerte lange, ehe er hineinblickte, und war überrascht, den alten Timothy Truckle zu sehen. War alles nur ein fürchterlicher Traum gewesen? Dafür waren die Erinnerungen zu deutlich. Er drückte den Signalknopf. Eine Krankenschwester schaute herein, verschwand aber gleich wieder. Kurz darauf erschien Devlin; er setzte sich zu Timothy, als sei nichts geschehen.
    »Wie fühlen sie sich? Wieder besser?« Timothy nickte. »Das freut mich ehrlich. Es war Ihre Schuld, daß ich Sie etwas hart anpacken mußte, Sie zeigten sich nicht gerade bereitwillig zur Zusammenarbeit, aber nun ist das ja vorbei.«
    »Sie haben – erreicht, was Sie wollten?«
    Devlin verzog keine Miene.
    »Und jetzt«, fragte Timothy, »wie geht es weiter?«
    »Ruhen Sie sich noch eine Stunde aus, dann können Sie nach Hause fahren.« Devlin lächelte. »Sie hatten recht, Mister Truckle, man hat Sie tatsächlich vermißt. Gleich ein Dutzend Big-Bosse hat nach Ihnen gefragt und sich für Sie verbürgt. Sie können sich glücklich preisen, so einflußreiche Gönner zu haben.« Er stand auf. »Ich hoffe, Sie nehmen mir das Geschehene nicht persönlich übel. Es ist mein Job, und die Dienstvorschriften –«
    »Ich werde mich nicht über Sie beschweren«, sagte Timothy. »Ich hoffe, es gelingt mir, das Ganze schnell zu vergessen.«
    »Das wäre das beste. Ich muß Sie noch darauf hinweisen, daß Sie nicht darüber sprechen dürfen, was Sie bei uns erlebt haben. Bevor Sie uns verlassen, müssen Sie noch eine entsprechende Verpflichtung abgeben.«
    Timothy nickte. Er war bereit, alles zu unterschreiben, wenn er nur hier wieder hinausdurfte.
    »Also, good-bye, Mister Truckle. Nichts für ungut. Und wenn Sie sich richtig erholt haben, denken Sie einmal darüber nach, ob es nicht doch möglich wäre, daß Sie mit uns zusammenarbeiten. Wir brauchen Männer wie Sie.«
    Die nächste Überraschung erwartete

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