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Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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aber lieber. Dulles war, wie die meisten Mächtigen, absolut humorlos.
    »Jedes Jahr«, erklärte Dulles, »lassen wir von den Meinungsforschern untersuchen, wie die Bereitschaft zur Futurefreezing ist. Der Prozentsatz der im Prinzip Gefrierwilligen steigt von Jahr zu Jahr.« Dulles lachte. »Wen wundert es? Wer würde nicht allzu gerne der Gegenwart entfliehen, die so oder so für die meisten Menschen einem Jammertal gleicht, und sich einen Platz in einer paradiesischen Zukunft sichern? Trotzdem werden es von Jahr zu Jahr weniger, die sich tatsächlich einfrieren lassen. Die Sache ist zu teuer. Wenn es aber nicht zu einer Massen-, sagen wir ruhig, -produktion kommt, kann es auch nicht billiger werden. Aber jetzt hat die SOLIDAD den Dreh gefunden.«
    Dulles nahm einen Schluck Pfefferminztee. »Ich habe die Werbepläne gesehen, Mister Truckle – mein Nachrichtendienst ist zum Glück nicht so vertrottelt wie die Leute von der GOLDEN FUTURE –, wirklich klug durchdacht. Und: volkstümliche Preise! Jedermann soll die Chance haben, die bessere Zukunft zu erleben. Ich sage Ihnen, das wird einen Run geben. Das ganz große Geschäft! Für die SOLIDAD. Wenn Sie es nicht verhindern, Mister Truckle.«
    »Ich würde mich nicht so beunruhigen«, sagte Timothy. »Selbst wenn sich jeder für ein Butterbrot einfrieren lassen könnte, wer würde es tatsächlich tun? Die Angst ist zu groß, daß man nicht wieder aufwacht, daß man sein bißchen Leben verspielen könnte. Wie jämmerlich es auch sein mag, es ist das einzige Leben. Diese Angst kann man mit keiner noch so raffinierten Werbung abbauen. Das ist die Barriere, die das Futurefreezing nie überspringen wird.«
    »Wenn man den Leuten aber die Gewißheit gibt, daß es funktioniert? Hundertprozentige Gewißheit.«
    »Dann«, sagte Timothy nachdenklich, »dann könnte es anders aussehen, nur, wie wollen Sie das schaffen?«
    »Nicht wir, leider. Die SOLIDAD. Sie wollen einen Mann, der sich im vorigen Jahrhundert hat einfrieren lassen, auftauen und der Öffentlichkeit präsentieren.«
    Timothy stieß einen Pfiff aus. »Donnerwetter, ja! Natürlich, das ist die Idee, einfach und überzeugend wie alles Geniale.« Vielleicht wäre es wirklich eine Lösung, dachte er, sich einfrieren zu lassen. Alle, die die Schnauze voll haben. Massenweise. Nur, wer sollte dann die bessere Zukunft herbeiführen? Und wer garantierte, daß man nicht einfach eines Tages die Hähne des Überlebenssystems schließen würde? Weil niemand mehr die horrenden Kosten bezahlen wollte, zum Beispiel.
    »Warum machen Sie nicht einfach das gleiche und tauen auch jemand auf?«
    »Weil das leider nicht geht.«
    »Warum nicht?«
    »Das Ganze ist nur ein Bluff.«
    3.
    »Es hat nie funktioniert«, erklärte Dulles, »und es wird nie funktionieren. Seit Jahren wissen wir, daß es auch theoretisch unmöglich ist. Zumindest hier auf der Erde, unter den Bedingungen der Schwerkraft. In den Gehirnzellen spielen sich irreversible Prozesse ab. Man kann wohl den Körper am Leben erhalten, wahrscheinlich unbegrenzt, nicht aber das Gehirn. Möchten Sie mit einem gefriergetrockneten Gehirn aufwachen? Das ist der Haken beim Futurefreezing.«
    »Aber Sie verkaufen es!«
    »Natürlich. Wir verkaufen alles. Das ist nun einmal das Ideal unserer Art zu leben: die absolute Freiheit.«
    »Obwohl Sie wissen, daß einer, der sich einfrieren läßt, praktisch Selbstmord begeht.«
    »Beihilfe zum Selbstmord ist schon seit fast hundert Jahren nicht mehr strafbar. Die Leute sind doch freiwillig bereit, auf ihre Gegenwart zu verzichten. Gehen Sie mal in einen Kryronik-Club 4 , lauter Narren! Als ob die Zukunft besser wäre! Nein, Mister Truckle, die Sache ist rechtlich unanfechtbar.«
    »Und moralisch?«
    »Versuchen Sie nicht, mir ein schlechtes Gewissen einzureden. Die moralische Seite habe ich längst mit meinem Beichtvater abgemacht. Ist es nicht viel besser, wenn einer mit dem Gedanken an die vor ihm liegende glückliche Zeit friedlich hinübergeht, als wenn er noch ein paar Jahre in diesem irdischen Jammertal umherkriecht und dann elend an irgendeinem Krebs krepiert? Besuchen Sie mal einen ’Goodbye-Palast‹ der GOLDEN FUTURE und sehen sich an, wie glücklich die Kryroniker bei den Abschiedszeremonien sind! Wir haben die besten Leute darangesetzt, das Ritual auszuarbeiten.«
    »Es funktioniert nicht«, sagte Timothy leise. »Und Sie wissen, daß es nicht funktioniert!«
    »Nicht einmal zwei Dutzend Leute wissen davon, und ich hoffe, daß

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