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Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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ausgerechnet die Bachstelze, beim FBI oder der NSA anzeigen würde. »Haben Sie schon von den Einbrüchen in der Nationalbibliothek und im Zentralarchiv gehört? Ich sage Ihnen, Tiny, wir bekommen eine neue Mode; die Leute, die sie lancieren wollen, decken sich ein. Aber ausgerechnet Zeitungen aus dem vorigen Jahrhundert? Ein Glück, daß das nicht in mein Ressort fällt. Können Sie sich vorstellen, daß Zeitungen einen Boom abgeben? Gut, sie sind selten, seltener als Rubine oder flämische Meister. Aber niemand könnte sie ausstellen, sie kaum den besten Freunden zeigen, ohne Kopf und Kragen zu riskieren. Vielleicht ist es gerade das: der Kitzel der Gefahr. Was glauben Sie?« Sie sah Timothy lauernd an.
    »Ich weiß nie«, antwortete Timothy, »was Sie damit bezwecken, Debby, wenn Sie mir Top-Secret-Informationen zustecken. Wollen Sie sich bei mir einkratzen? Warum? Oder wollen Sie mich reinlegen?«
    »Aber, Tiny! Sie reinlegen? Warum wohl – und wie denn?«
    »Tun Sie nicht so scheinheilig. Sie könnten zum Beispiel darauf warten, daß ich es weitererzähle; schon dürften Sie mich wegen Verbreitung staatsgefährdender Nachrichten einsperren lassen. Wieviel gäbe es dafür?«
    Die Bachstelze grinste selbstgefällig. »Nach den zwölften, verschärften Durchführungsbestimmungen des Gesetzes zur Nationalen Sicherheit und dem Gesetz zum Schutz der Freiheit mindestens zehn Jahre. Oder Bewußtseinslöschung.« Sie legte mit gönnerhafter Miene zwei Finger auf Timothys Schulter und lächelte ihn von oben herab an. »Aber Sie haben ja einflußreiche Freunde, die ihre Hände schützend über Sie legen, nicht wahr? Also vergessen Sie es. Bis später mal.« Damit rauschte sie davon.
    Es gelang Timothy, im Schatten der dichten Gruppe um Daniel noch zwei Plastiken zu genießen, ohne daß ihn jemand störte. Als er versunken vor einer pulsierenden Goldfadenkugel stand, die nach seinen Handbewegungen sphärische Musik aussandte, löste Daniel Shopenhower sich von dem Schwarm und kam zu Timothy.
    »Du bist also gekommen!« rief er schon von weitem. »Was hältst du von meinen Sonics?«
    »Es ist das Schönste, was ich seit Jahren gesehen habe. Vielleicht überhaupt in meinem Leben. Die Töne sind reifer, und die Formen – Bitte, lache nicht, Daniel, aber deine Sonics erinnern mich an Märchen.«
    Daniel drückte ihm impulsiv die Hände. »Du bist der erste, der es erkannt hat. Es sind Märchen. Seit zwei Jahren lebe ich nur noch mit Märchen. Nicht mit den modernen, den Phantastik-, Crime- und Horrormärchen, nein, mit den alten Volksmärchen.« Er breitete seine Arme. »Da sind sie: Rotkäppchen, Schneewittchen, Aschenputtel, Frau Holle, die sieben Geißlein –«
    »Aber du hast sie nicht so benannt.« Timothy bückte sich, um die Inschrift am Sockel zu lesen. »Interstellar Supersonic Golden Six.«
    »Natürlich nicht. Wer hätte sie sich dann überhaupt angesehen?«
    »Welches Märchen ist dies hier?« Timothy wies mit dem Kopf zu der pulsierenden Goldfadenkugel.
    »So kannst du es nicht sehen. Ich meine nicht, daß jede Sonic ein bestimmtes Märchen darstellt; aber sie alle haben den Geist der Märchen, ihre Poesie. Und ihre Menschlichkeit.«
    »Ich würde sie Schneewittchen nennen«, sagte Timothy versonnen. »Ich glaube, sie ist die Schönste von allen. Schade, daß ich sie mir nicht leisten kann. Oder bist du inzwischen billiger geworden?«
    Daniel sah ihn mit traurigen Augen an. »Du weißt, ich würde sie dir am liebsten schenken. Aber was glaubst du, wie teuer es ist, so etwas zu machen!«
    »Schon gut, Daniel.«
    »Wenn ich zwei der Plastiken verkaufen kann, sollst du sie haben, Tiny. Ach, wenn ich wenigstens eine verkaufen könnte! Ich stecke bis über beide Ohren in Schulden. Wenn ich hier nichts loswerde, bin ich am Ende. Entschuldige mich bitte, aber ich muß mich wieder um die Gäste kümmern.«
    Timothy gesellte sich zu der Gruppe um Bloomsfield und Maroon; nach zehn Minuten schlenderte er weiter, das Gespräch drehte sich um Frauen und Sex. Plötzlich stand John Modesty Dulles neben ihm. »Mister Truckle, nicht wahr?«
    Timothy nickte verwundert. Daß Dulles ihn kannte, mehr noch, ihn ansprach! Dulles tat, als wolle er mit Timothy über eine der Plastiken sprechen, und zog ihn zu einer leeren Koje.
    »Man sagte mir, Sie würden hiersein. Ich brauche Sie. Für maximal zehn Tage. Was kostet das?«
    »Ich habe keinen festen Tagespreis«, sagte Timothy freundlich, aber bestimmt. »Und ich übernehme nur Fälle,

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