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Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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geringe Feldstärke besitzt, der sich aber wie ein Rhythmus auf alle intellektronischen Vorgänge des Gehirns legt und ihnen eine individuelle Modulation aufprägt.« Er spreizte ein paarmal die Finger. »Es ist nicht so einfach, das einem Laien zu erklären.«
    »Wenn ich Sie richtig verstanden habe«, sagte Timothy, »handelt es sich um eine Art Grundmuster für die ganz persönlichen Strukturen des Denkens, Fühlens und Verhaltens.«
    »Ja, so könnte man sagen, ein individuelles Muster, das sich über alle Prozesse des Bewußtseins und Unterbewußtseins lagert. Offensichtlich wird es im Laufe des Lebens erworben und ständig angereichert. Ich habe Messungen an Kleinkindern vorgenommen, da ist die Seele noch kaum ausgeprägt. Ich bin sicher, daß sie um so komplizierter wird, je intelligenter, gefühlsreicher und erfahrener jemand ist.«
    Er unterbrach seinen Vortrag, um eine Pille zu schlucken.
    »Man hat ja immer wieder versucht, etwas Derartiges zu finden. Schließlich muß sich alles materiell konstituieren, auch die Individualität. Die verbreitetste Theorie zielt auf ein komplexes Zusammenspiel mannigfacher Gehirnprozesse, aber die Versuche, der Individualität mit der Kybernetik beizukommen, sind längst in einer Sackgasse gelandet. Man ist heute bei Formeln angelangt, die nicht mehr handhabbar sind, selbst wenn man die größten Elektronengehirne von DRAUSSEN zuschalten könnte. – Haben Sie eine Ahnung, was es bedeutet, wenn man die Individualität technisch handhabbar machen könnte?«
    »Ich glaube, schon. Ich habe mich in den letzten Tagen auch ein wenig um die Probleme der Hirnforschung und der Intellektronik gekümmert, dabei bin ich auf eine interessante Abhandlung gestoßen.« Timothy schmunzelte. »Vielmehr mein guter, alter Napoleon; ich habe mir nur referieren lassen. Der Autor klagt darüber, daß selbst den kompliziertesten Automaten, obwohl sie in vieler Hinsicht dem Menschen weit überlegen seien, das Entscheidende fehle, um die Grenzen der Programmierung überschreiten zu können: Es fehle ihnen die unverwechselbare Individualität, aus der heraus erst Eigenschöpferisches erwachsen könne. So war es doch?«
    »Etwas simpel formuliert, aber im Prinzip stimmt es.«
    »Es war die Abhandlung eines Fachmanns«, sagte Timothy, »eines gewissen Doktor Selbrik.«
    Selbrik nickte anerkennend. »Verstehen Sie jetzt, wie ich aufhorchte, als Stahlheimer mir anvertraute, er glaube, der Seele auf der Spur zu sein? Seine Seele und meine Automaten – das bedeutet eine Revolution der Technik!«
    »Und Sie haben sie tatsächlich gefunden?«
    »Wir sahen zwei Wege: einmal eine Seele zu analysieren und dann eine künstliche Seele nach diesem Modell zu schaffen, doch dazu scheint die gegenwärtige Wissenschaft noch nicht auszureichen; der zweite Weg: durch einen induktionsartigen Prozeß ein identisches Außenfeld zu modulieren, ein Duplikat herzustellen. Leider erwies sich auch das als unmöglich.«
    »Es wird also nichts mit der künstlichen Seele?«
    »Nein.« Selbrik lächelte selbstzufrieden. »Dafür haben wir etwas noch Größeres entdeckt. Man kann das Seelenmodul, wie Stahlheimer es nannte, abschöpfen.«
    Timothy stellte sein Glas mit hartem Knall auf den Tisch. »Meinen Sie, einem Menschen die Seele abnehmen?«
    »Es mag sich brutal anhören; es erinnert an die alten Märchen, nicht wahr? Aber es ist eine der grandiosesten Erfindungen aller Zeiten, die Erfüllung eines uralten Menschheitstraumes: die unsterbliche Seele! Wovon Tausende von Generationen träumten, worauf sich Weltreligionen und Weltreiche gründeten, ich habe es möglich gemacht. Nicht in einem imaginären Jenseits, an das Dummköpfe glauben mögen, sondern hier auf Erden. Der Mensch muß nicht mehr mit seiner sterblichen Hülle ins Nichts versinken. Er kann sein Ureigenstes, seine Individualität, weitergeben. An einen Automaten, eine Maschine, gewiß, aber wer weiß – wir stehen erst am Beginn einer neuen Epoche, die mit dieser Entdeckung eingeleitet wird –, vielleicht wird man einmal das kurze biologische Leben als ein, wie es die Religionen nannten, Durchgangsstadium zur Unsterblichkeit betrachten.« Selbrik hatte die Hände zur Decke gestreckt, als wolle er der Welt den Segen erteilen.
    »Und wie«, fragte Timothy, »wollen Sie so eine Seele aufbewahren? Ich stelle mir das äußerst kompliziert vor.«
    »Das ist relativ einfach.« Selbrik öffnete einen Wandsafe und entnahm ihm einen wie Titan schimmernden Zylinder. Er

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