Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
balancierte ihn auf der Hand wie die Zeusstatue in Washington die Erdkugel. »Das ist ein stabiler Frequentator, in dem sich das eingespeiste Seelenmodul unbegrenzt halten läßt.«
»Sieht eher wie eine gewöhnliche Konservendose aus«, murmelte Timothy. »In so was soll man nun seine Seele einsperren lassen?« Er tippte mit dem Finger gegen das kühle Metall. »Das Grab einer Seele.«
»Nicht das Grab«, protestierte Selbrik pathetisch, »die Unsterblichkeit!« Er stellte den Zylinder zurück in den Safe.
»Und Stahlheimer?« Timothy ließ den Namen wie etwas Verlorenes ausklingen.
»Ein Opfer der Wissenschaft, und ein besonders tragisches dazu; nicht weil es so mit ihm gekommen ist, sondern weil er sein Werk nicht vollenden konnte. Er wußte, daß sein Körper eines Tages eine seelenlose Hülle sein würde. Er wollte es. Sein Modul sollte die erste unsterbliche Seele sein. Er war zum Größten bereit, dessen ein Wissenschaftler fähig sein kann, zum Selbstversuch.«
»Und wo ist sein Vermächtnis?«
Selbrik lachte bitter. »Es gibt keins. Weil er das Opfer eines dummen, sinnlosen Zufalls wurde. In ein paar Monaten erst wären wir soweit gewesen. Er freute sich darauf, daß er unbelastet von den Mühen seines Jobs hier arbeiten könnte.«
»Ich dachte, er wollte ins Navajo-Gebiet.«
»Das war nur ein Vorwand. Hier –«, Selbrik öffnete die Tür zu einem großen, mit Apparaturen verstellten Raum, »hier wollte er arbeiten.«
Timothy ließ ihm den Vortritt. Selbrik zeigte auf einen Laborsessel inmitten eines Gewirrs von Geräten und Leitungen. »Dort ist es passiert. Stahlheimer wollte einen verbesserten Cephalographenhelm ausprobieren, dabei muß er den Defraktor ausgelöst haben. Ich fand ihn so, wie Sie ihn jetzt kennen. Es war ein Unfall, verstehen Sie?«
»Ja, ich verstehe«, sagte Timothy leise. Dann schrie er unvermittelt: »Selbrik!«
Selbrik fuhr herum und starrte auf den Rayvolver in Timothys Hand.
»Hände in den Nacken! Setzen!« Timothy wies auf den Laborsessel. »Keine Bewegung!« Timothy ließ die stählernen Halterungen der Sessellehnen über Selbriks Armen einschnappen.
»Ja, ich habe gut verstanden, Mister Selbrik. Sie sind nicht nur ein begabter Intellektroniker und messerscharfer Denker, sondern auch ein skrupelloser Phantast und ein unverschämter Lügner.«
9.
Timothy ließ sich einen Stuhl vor den Laborsessel fahren, an den er Selbrik gefesselt hatte. Als er die Hand der Pulttastatur näherte, schrie Selbrik auf. »Nichts anfassen!«
»Ich will einmal glauben, daß Stahlheimer die Seele entdeckt hat, obwohl sich alles in mir gegen diesen Gedanken sträubt, aber hätte er Ihnen seine Entdeckung ausgeliefert? Wäre er bereit gewesen, mit Ihnen daran zu arbeiten, die Seele handhabbar zu machen? – Johnny ist ein unverbesserlicher Menschenfreund, ein altmodischer Mann, der Spaziergänge schätzt und Käse aus richtiger Milch, der sich nicht scheut, auf einem Cello Musik zu machen, der sich tatsächlich darauf freute, im Navajo-Gebiet die Überreste eines von unseren Vorfahren ausgerotteten Volkes zu bergen, ein Mensch, der noch etwas von Würde und Verantwortung hält, der alles Lebende achtet. – Ich habe einmal gesehen, wie er eine Raupe von der Fahrbahn nahm und ins Gras setzte. Er mußte den Superhighway überqueren, um das Gras zu erreichen, aber er tat es. Wenn Johnny irgend etwas auf dieser Welt verabscheut hätte, dann das – einem Menschen die Seele zu nehmen.«
»Was verstehen Sie schon von der Mentalität eines Wissenschaftlers«, keuchte Selbrik. »Wer so etwas entdeckt, der muß seinen Weg bis zum Ende gehen, und sei es ein bitteres.«
»Was verstehen Sie von der Verantwortung eines Wissenschaftlers«, erwiderte Timothy. »Die unsterbliche Seele – ich gestehe, das ist ein verlockender Gedanke; doch Johnny hätte weitergedacht und sofort die Folgen seiner Entdeckung gesehen, die Jagd nach Seelen, weil Hunderttausende von Automaten ausgerüstet werden sollen...«
»Millionen«, stieß Selbrik hervor. »Überall auf der Erde, zuerst in den Staaten, und dann – Mister Truckle, wir stehen am Beginn einer neuen Epoche. Machen Sie mit. Vollenden Sie mit mir Stahlheimers Werk, unser Werk.«
»Haben Sie schon mit jemand anderem darüber gesprochen?«
»Niemand weiß davon. Ich habe nicht einmal meine Stelle gekündigt. Wir müssen in aller Heimlichkeit vorgehen, wir müssen uns Zeit lassen, nichts überstürzen; wenn wir es richtig machen, werden wir die Herren der
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