Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
Timothy hatte Mühe, ein Kichern zu unterdrücken. Er musterte sie. Vielleicht leistete sie sich ihm gegenüber tatsächlich so etwas wie Gefühle als Ausgleich für die Eiseskälte und Grausamkeit ihres Jobs und den unbarmherzigen Machtkampf gegen alle Rivalen? Nein. Wahrscheinlich überschätzte sie nur seine Beziehungen zu den Big-Bossen.
Sie schlug die Augen auf. »Hören Sie gut zu, Tiny. Wenn irgend etwas von diesem Fall an die Öffentlichkeit dringt und auch nur der geringste Verdacht besteht, daß Sie damit zu tun haben, kann ich Sie nicht mehr schützen. Niemand kann das, auch keiner Ihrer einflußreichen Freunde und Kunden, verstanden? Das oberste Gebot ist absolute Verschwiegenheit. Das geht hier noch vor den Erfolg.«
»Sie, Debby, und die Vereinigten Staaten von Amerika sind meine Klienten und können damit auch meiner Diskretion gewiß sein. Wer zahlt eigentlich das Honorar?«
»Sie lassen kein Gerät mitlaufen – versprochen?«
»Versprochen.«
»Sie müssen mir helfen, einen Mann zu finden, der seit drei Tagen verschwunden ist: Samuel Baxter.«
»Warum ich? Haben Sie und die Staatspolizei und die Bundespolizei und das FBI und die NSA nicht Leute und Spitzel genug, diesen Samuel Baxter zu suchen?«
»Die suchen ihn, alle. Baxters Steckbrief hängt in jeder Amtsstube; die Sicherheitsbeamten der Verkehrsmittel, die Haus- und Privatpolizeien, die Verbindungsleute in den Vergnügungszentren, die Straßen- und Hauskontrolleure, alle kennen sein Gesicht, und auf seine Ergreifung ist eine hohe Belohnung ausgesetzt.«
»Und nun soll ich auch noch herumlaufen und mich zum Gespött der Passanten machen?«
»Natürlich nicht. Sie sollen nur nachdenken, und es hat mich verdammt viel Mühe gekostet, den Krisenstab davon zu überzeugen, daß wir Sie einschalten müssen. Denn damit Sie uns helfen können, müssen Sie Einzelheiten erfahren, die außer wenigen ausgesuchten Leuten niemand erfahren wird. Sie sehen, welch ein Vertrauen ich zu Ihnen habe, Tiny.«
»Das ehrt mich«, sagte Timothy. »Kommen Sie zur Sache. Warum ein Krisenstab? Was ist so Besonderes an Samuel Baxter?«
»Er ist ein Monster.«
3.
Timothy richtete sich auf und sah die Bachstelze ungläubig an. Sie blinzelte nur. Timothy goß sich noch einen »Queen Anne« ein.
»Ich weiß, was Sie jetzt sagen wollen«, fuhr Deborrah Johnson fort. »Daß wir die Konvention der neuen Menschenrechte unterschrieben haben und die Konventionen zum Verbot genetischer Manipulationen an Menschen und noch ein paar Konventionen dieser Art. Ja, das haben wir. Und wenn wir es nicht einhalten, drohen uns Sanktionen: die Sperrung der Wasserlieferungen aus der Arktis und der Rohstoffzuteilungen von DRAUSSEN und was nicht noch alles. Deshalb darf ja niemand davon erfahren. Niemand, Tiny!«
»Aber Sie setzen Hunderttausende von Leuten auf Baxter an«, gab Timothy bissig zurück. »Einer wird ihn finden, und es ist anzunehmen, daß er dabei nicht allein ist. Was wollen Sie mit den Zeugen machen, umbringen?«
»Notfalls ja. Aber wir wollen ihn finden, bevor er unter die Leute kommt. Außerdem, das einzige, was Samuel Baxter sichtbar von einem normalen Menschen unterscheidet, ist, daß er vier Arme hat.«
»Vier Arme?«
»Ja, eine Doppelschulter.«
Sie ließ ihm Zeit, sich das vorzustellen und sich von dem Gedanken zu erholen.
»Damit es nicht auffällt, trägt er Spezialkleidung, in der er das zweite Paar Arme verbergen kann. Außerdem haben wir Mister Super-X.«
»Mister Super-X?«
»Sagen Sie nicht, daß Sie noch nicht von ihm gehört haben! Er ist das Gespräch des Tages!«
»Keine Silbe. Aber ich habe in den letzten Tagen wie verrückt gearbeitet und mich dann gleich in die Vainity geflüchtet. Die Nachrichten hatte ich mir für danach aufgehoben. Wer ist dieser Mister Super-X?«
»Ein Reklamegag. Ein Mann mit vier Armen, der von einem anderen Stern gekommen ist, um die Erde für die neuen SuperX-Cornflakes zu erobern. Wir haben ein paar Dutzend Leute mit einem zweiten Paar Arme ausgestattet und als Werbetrommler auf die Straßen geschickt. Gut, was?«
»Sehr klug.« Timothy genehmigte sich einen dritten Whisky. Die Bachstelze wollte immer noch keinen.
»Erzählen Sie«, forderte Timothy. »Alles. Von Anfang an.«
»Der Ausgangspunkt«, begann sie, »ist Fort Baxter. Es liegt auf halber Strecke zwischen Chicago und Saint Louis am einstigen Illinois-River. Sie werden die Ecke nicht kennen, Tiny. Eine lausige Gegend! Das Lausigste, was es in ganz
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