Wer stirbt, entscheidest du
mir aufnehmen will, müssen Sie sie schon selbst fragen.»
D.D. war baff, regelrecht baff. Tessas Busenfreundin von damals hatte tatsächlich Chuzpe.
«Finden wir auch nur ein Haar von ihr in Ihrem Wagen, sind Sie dran», sagte sie.
Juliana schlug sich auf die Wange und höhnte: «Oh my God, wie bedauerlich. Zu dumm, dass ich gestaubsaugt habe. Und zufällig fiel mir kürzlich ein Artikel in die Hände mit Ratschlägen, wie man sein Auto gründlich sauber macht. Wussten Sie, dass ein Spritzer Ammoniak Wunder wirkt?»
D.D. schäumte vor Wut. «Allein dafür könnten wir Sie auf der Stelle festnehmen», sagte sie.
«Dann tun Sie’s doch.»
«Tessa hat ihren Ehemann erschossen, seine Leiche in die Kellergarage geschleppt und mit Schnee zugeschaufelt», erklärte D.D. aufgebracht. «Tessa hat ihre Tochter getötet, die Leiche mit Sprengsätzen versehen und verscharrt. Sie hat in Kauf genommen, dass wir alle in die Luft fliegen. Und diese Frau versuchen Sie zu schützen.»
«Dieser Frau wurde unterstellt, meinen Bruder getötet zu haben», korrigierte Juliana. «Fälschlicherweise. Es dürfte nicht allzu schwerfallen, in Betracht zu ziehen, dass ihr vielleicht auch die Morde an Mann und Kind fälschlicherweise angelastet werden.»
«Von wegen –», hob D.D. an, unterbrach sich aber sofort. Sie krauste die Stirn in Erinnerung an einen nagenden Zweifel, der sie schon Stunden zuvor im Wald befallen hatte.
«Ich muss mal kurz telefonieren», sagte sie plötzlich. «Sie rühren sich so lange nicht vom Fleck.»
Sie nickte Bobby zu und führte ihn vor die Haustür, wo sie ihr Handy aus der Tasche holte.
«Was –», wollte er fragen, doch sie schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab.
«Verbinden Sie mich mit Ben», sprach sie ins Handy. «Ich weiß, dass er arbeitet. Was glauben Sie, weshalb ich anrufe? Sagen Sie ihm, Sergeant Warren wettet hundert Mäuse darauf, dass er gerade über ein Mikroskop gebeugt ist und denkt: Oh, Scheiße .»
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34. Kapitel
Die Werkstatt meines Vaters war so mickrig wie eh und je: ein gedrungenes Gebäude aus Schlackenbeton, dessen nikotinfarbener Außenanstrich großflächig abblätterte. Die Heizung war meist kaputt, sodass mein Vater im Winter dick angezogen unter die Autos kriechen musste. Ein funktionierendes Klo gab es zwar, aber er und seine Freunde pinkelten lieber draußen an den Zaun.
Trotzdem gab es hier etwas, was ich gut gebrauchen konnte: Die Garage stand voller Autos, die repariert oder weiterverkauft werden sollten; und es gab einen Schweißbrenner, der sich wunderbar zur Handy-Entsorgung eignete.
Das schwere Hallentor war verriegelt, aber die Hintertür ließ sich öffnen. Ich folgte dem Schein einer nackten Glühbirne und fand meinen Vater im hinteren Teil der Garage. Er saß rauchend auf einem Stuhl.
Auf der Werkbank neben ihm stand eine halb leere Flasche Whisky. Wie viel mein Vater trank, war mir als junges Mädchen nie bewusst gewesen. Dass wir abends immer schon um neun zu Bett gingen, hatte ich mir damit erklärt, dass mein Vater früh rausmusste. Tatsächlich aber war er um diese Zeit bereits so betrunken, dass er sich nicht länger auf den Beinen halten konnte.
Als Sophie zur Welt kam, hatte ich gehofft, meine Eltern in ihrem endlosen Kummer besser zu verstehen. Aber das war nicht der Fall. Hätten sie nicht trotz oder gerade wegen ihres großen Verlustes das ihnen verbliebene Kind umso mehr lieben müssen? Wie war es möglich, dass sie mich schlichtweg übersehen hatten?
Mein Vater zog noch einmal an der Zigarette und drückte sie dann auf der Werkbank aus.
«Hab mir gedacht, dass du kommst», sagte er mit seiner rauen Stimme. «Die Nachrichten sind voll von deiner Flucht.»
Sergeant Warren hatte ihre Blamage also zugegeben. Gut für sie.
Ohne auf meinen Vater weiter zu achten, ging ich auf das Schweißgerät zu.
Mein Vater trug seinen ölverschmierten Overall. Auch von weitem war zu erkennen, dass er immer noch breite Schultern und einen muskulösen Oberkörper hatte. Bei jemandem, der den ganzen Tag mit den Armen über dem Kopf arbeitete, blieb das nicht aus.
Wenn er mich aufhalten wollte, hätte ich keine Chance gegen ihn.
Meine Hände zitterten, als ich vor den beiden Gasflaschen des Schweißgeräts stand. Ich nahm die Schutzbrille vom Haken an der Wand und setzte sie auf. Die dunklen Handschuhe, die Juliana mir besorgt hatte, musste ich ausziehen, um das Handy auseinanderzunehmen und den Akku
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